Kultur: Die Faszination des großen Formats
Neue Ausstellung in der SperlGalerie: Bilder, die in friedlicher Koexistenz zusammenkamen
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Potsdam ist nicht Leipzig. In Leipzig hängt in der Universität das große Wandbild „Arbeiterklasse und Intelligenz“ von Werner Tübke, das von Kunstkritikern als das beste Bild nach 1945 bezeichnet wird, dem Schriftsteller Erich Loest aber vorkommt wie eine Fortschreibung der unterdrückerischen DDR-Verhältnisse, weshalb er kurzerhand ein Gegenbild in Auftrag gab. Reinhard Minkewitz realisierte diesen politischen Ungehorsam, und es ist sicher nicht ganz so gut geworden wie das Ursprungsbild, aber es zeigt in ebenso realistischer, wenn auch weniger selbstgefälliger Manier diejenigen, die damals vom Staat unterdrückt wurden.
Beide Bilder sind riesig, der Sozialismus hat von der mexikanischen Malerei die politische Kraft des Immensen abgeguckt und auch in Potsdam gibt es ja immer noch den Streit darüber, wie mit den großen Alten verfahren werden soll. Nun hängen aber ganz neue große Formate, die freilich das Ausmaß der Streitbilder nicht erreichen, in friedlicher Koexistenz in der Galerie Sperl. Nur bei wenigen spielen die gesellschaftlichen Verhältnisse eine Rolle.
Drei Meter vierzig breit ist die Arbeit von Hans Scheuerecker, die den Besucher beim Betreten der Galerie von gegenüber begrüßt. „Sag ja du Schöne“ heißt die stumme, aber farblich brillante Aufforderung des Künstlers an jene, deren Abbild nur für den Geübten zu erkennen ist.
Stolz reckt der überlange abstrahierte Vogel von Rainer Fürstenberg dazu seinen spitzen Schnabel übermütig dem Besucher entgegen. Wer will, kann sich über die aus dem Dialog der Werke wie flüchtiger Nebel aufsteigende Thematik amüsieren. Auf der linken Seite am Eingang hängt dann auch ein Bild von Mona Höke, auf dem, wer will, ein Bett vor wehenden Vorhängen erkennen mag. Und am Ende der Ausstellung, ganz oben unterm heißen Blechdach, zeigt das zwei Meter fünfzig breite Interieur von Matthias Körner ebenfalls Bettumrandungen. Das zwei Meter fünfzig breite Werk erweitert mittels Farben- und Formkombination das meist idyllisierende Interieur zu einer symbolischen Aussage, bei der die Kissentürme pfeilspitz in die Höhe ragen und die Kluft zwischen zwei Liebenden besonders kenntlich machen. Und eine solche thematisiert Dieter Zimmermann mit seiner Europa: Nackt und wollüstig liegt sie da, sie hat die Arme schützend um den Kopf gelegt, vielleicht weil der Stier am anderen Ufer des Flusses ein bisschen blöd aus der Wäsche schaut, bis er sich wieder in einen Gott verwandeln darf.
Alexander Gutsche wartet in „Du und ich“ auch mit einem Paarthema, aber in komplett aus dem Rahmen der übrigen Schau fallender Ästhetik auf. Wie eine Fototapete kommt das fast quadratische Bild daher, obwohl es sich um Acrylmalerei auf Leinwand handelt. Überrealistisch der Stil, bei dem jedes Grashälmchen eigens gezeichnet scheint, bester englischer Rasen also, auf dem der Mann im Hintergrund seinem Kricketspiel frönen kann. Davon vollkommen unbeeindruckt sitzt im Ziegel-Schönheitssalon die Frau unter der Frisierhaube und lackiert ihre Nägel. Der Hase glotzt auf die Kricketbälle, die wie geballte Hormonvorwürfe zur Dame sprechen. Was Gutsche an Realismus, das bietet Dagmar Misselhorn an Abstraktion in ihrem noch nicht einmal betitelten, flächig rot-braun-blau changierenden Bild. Stefan Velten fällt ästhetisch mit einer „Ligurischen Landschaft“ angenehm auf und bietet dem Auge Ruhe, Erholung und sogar ein bisschen Tiefgründigkeit.
Bleibt noch Malte Brekenfeld, der der einzige in dieser Bildersammlung ist, der sich irgendwie auf die Großen Formate der Sozialisten zu beziehen scheint. Wir kennen Brekenfeld als Humoristen, aber hier hat er eine Düsternis einfangen, in der die Flüchtenden schon mal von einem Schwarm schwarzer Vögel begleitet werden - nicht dass sie auf die Idee kämen, sie hätten noch Hoffnung. Ausgemergelt und nackt viele der Gestalten, die am Rand des Meeres laufen, bepackt mit dem Elend der Welt, das aber immer noch in Brekenfelds Handschrift daherkommt. „Das Gleichnis der Glanzlosen“ heißt dieser bemerkenswerte Zeitkommentar, und dadurch wird Potsdam doch ein bisschen zu Leipzig.
Lore Bardens
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