Kultur: „Die Faszination geht vom Düsteren aus“
Das Potsdamer Doors-Projekt überzeugte durch gute Darstellung und druckvolle Musik
Stand:
Der Mythos „Jim Morrison“ lebt. Der 1971 verstorbene Sänger der legendären Rockgruppe The Doors zieht weiterhin alte und junge Fans in seinen Bann. Etwa 200 kamen in die Schinkelhalle, um das Live-Programm „Keiner kommt hier lebend raus“ zu sehen. Unter der Regie von Fredo Folcini brachten Potsdamer Musiker und Schauspieler eine Collage aus Spielszenen, Monologen, Interviews und der Doors-Musik auf die Bühne, die das Publikum begeisterte. Der Titel ist der gleichnamigen Biografie „No one here gets out alive“ von Jerry Hopkins und Danny Sugerman entnommen. Diese beiden Fans der ersten Stunde trugen erheblich zum Morrison-Mythos bei. Sie beschreiben, wie Morrison als Mensch scheitert, weil er – auf dem Gipfel seines Ruhmes – sich nicht mehr vom Image des Rockstars lösen kann, um als ernst zu nehmender Dichter anerkannt zu werden.
Das Potsdamer Doors-Projekt ging weder diesem Konflikt noch einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Dichter-Rock-Star nach. Die vielschichtige Aufführung sollte vielmehr eine Hommage an die Doors-Musik und „ein Dankeschön sein, dass es den Menschen gegeben hat“, wie Folcini es ausdrückte. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Sänger und Produzenten Tom Magerl vor sieben Monaten aus der Taufe gehoben und am Freitag, an dem Morrison 63 Jahre alt geworden wäre, aufgeführt. „Die Faszination geht vom Düsteren aus“, erklärte der Doors-Literaturexperte Schummi zur Entstehung des Live-Programms, dieser „Schwebezustand“, den die Musik der Doors vermittelt, entspreche dem Lebensgefühl der Akteure, die ihre Erfahrungen mit „Drogen, Alkohol und Hartz IV“ gemacht haben. Heute sei es nicht die Aufsässigkeit gegen die Eltern-Generation oder die Rebellion gegen politische Systeme, meinte Schummi, sondern um „das Ich und die globalisierte Welt“, eine Welt, die das Individuum zunehmend anonymisiere. „Ich kann die Erde auf der Stelle anhalten“ rezitierte Folcini, als Moderator im langen Ledermantel, ein weniger bekanntes Morrison-Gedicht und erntete prompt höhnische Zwischenrufe vom Publikum.
Während die meisten Spielszenen und gesprochenen Dialoge der Schauspieler vom Publikum nicht konzentriert verfolgt wurden, bekamen die Musiker und vor allem der Sänger Tom Magerl die ganze Aufmerksamkeit der Zuschauer. Begeistert wurde nach druckvollen Darbietungen von Doors-Hits, wie „L.A. Woman“, „The End“ oder der Doors-Interpretation von Brecht/Weills „Alabama Song“ applaudiert. Entgegen der Aussage des Regisseurs, „Hier wird nichts gecovert“, kamen die Songs aber doch im gewohnten Gewand daher. Abgesehen von einigen Freiheiten bei den Gitarrensoli und einer mehr an Drum & Bass Sounds angelehnten Einleitung des bekannten Hits „Light my Fire“, hielten sich die Musiker an die Original-Arrangements und ließen sogar das Regengeräusch der Studio-Aufnahme von „Riders on the Storm“ mit einfließen. Tom Magerl überzeugte sowohl stimmlich als auch mit seinem Auftreten in der Rolle des Jim Morrison. Der 27-Jährige bekam sein Lampenfieber mit jedem Stück besser in den Griff. Nach den schnelleren Stücken, wie dem „Roadhouse Blues“, steckten seine Hände nicht mehr verlegen in den Hosentaschen seiner Lederjeans. Magerl tanzte, spielte mit dem Mikroständer und gab Morrison als den „Lizard King“, der sich seiner sexuellen Ausstrahlung bewusst ist.
Unterstützt wurde die Show von einer Feuer-Performance zu den Klängen von Orffs „Carmina Burana“ und von Videoprojektionen, die mit Farben- und Formspielen der 60er Jahre erinnerten. Eine Zeit, nach der sich nicht wenige sehnen.
Karsten Sawalski
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: