Kultur: Die Fenster zur Ungewissheit
Filmklassiker vorgestellt: Heute „Der Pianist“, zu sehen am 16. April im Filmmuseum im Beisein des Kameramannes
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Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum Potsdam gehegt und gepflegt. Nicht nur Technik, auch vielfältige Dokumente, Kostüme und Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Zur Aufführung kommen ebenso cineastische Kostbarkeiten. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellt Lena Hoffmann, Mitarbeiterin des Filmmuseums Potsdam, heute den Film „Der Pianist“ von Roman Polanski vor, der am 16. April um 20 Uhr im Filmmuseum im Rahmen der Wechselausstellung „Roman Polanski – Schauspieler und Regisseur“ sowie im Zusammenhang mit dem Filmfestival filmPOLSKA zu sehen ist. Im Anschluss an den Film steht Kameramann Paweÿ Edelman für Fragen des Publikums zur Verfügung.
Es ist die Geschichte des polnisch-jüdischen Musikers Wÿadysÿaw Szpilman, eines Überlebenden des Holocaust. Seine Autobiographie „Das wunderbare Überleben – Warschauer Erinnerungen 1939-1945“ nahm Regisseur Roman Polanski, der als Kind selbst dem Krakauer Ghetto entkam, zum Anlass, sich mit seinen eigenen Erfahrungen filmisch auseinander zu setzen. Seine berührende Verfilmung „Der Pianist“ (2002) erhielt neben vielen internationalen Auszeichnungen drei Oscars, darunter auch einen für die Beste Regie.
Hager, hochgewachsen und wortkarg – so zeichnet Polanski seinen Protagonisten, dem er während des gesamten Films kaum von der Seite weicht. Bis auf wenige Ausnahmen lässt Polanski den Zuschauer einzig an dem teilhaben, was sich im Wahrnehmungsradius Szpilmans zuträgt. In der ersten Hälfte des Films beobachtet die Hauptfigur das Geschehen aus einer distanzierten, oft unbeteiligten Perspektive. Szpilman ist vor allem Augenzeuge. Augenzeuge der Brandmarkung und der Demütigung, die die Juden über sich ergehen lassen müssen. In diesen leidvollen Situationen verharrt Polanski jedoch nicht lange. Zeit zur Reflexion lässt er kaum. Seine Szenen sind prägnant, seine Schnitte pointiert. Die Kamera bleibt zumeist auf Distanz.
Selbst als Szpilman ein Kind aus einem Mauerloch zu zerren versucht, das auf der anderen Seite aufs Heftigste malträtiert wird, und es – eben noch um Hilfe schreiend – nun leblos in seinen Armen liegt, verweilt die Kamera nur kurz auf seinen Mienen. Ein Moment des Entsetzens, der Trauer, der Wut und schon – ein Schnitt. Weiter eilen, bloß nicht auffallen. Zu groß ist die Angst um das eigene Leben, zu schlimm die Vorahnung, die sich mit jeder neuen Gräueltat deutlicher abzuzeichnen scheint. Auch zu lähmend wäre für Szpilman jede Form der Empathie.
Eine Szene hingegen, in der Polanski innehält, ist gleichzeitig ein Schlüsselmoment des Films: das letzte gemeinsame – zugegeben spärliche – Mahl der Familie vor dem Abtransport ins tödliche Lager. Von da an widmet sich Polanski nur noch Szpilmans einsamen Kampf ums Überleben. Völlig auf sich allein gestellt hat dieser nun niemanden mehr, dem er folgen kann. Einzig der Zuschauer ist bei ihm – zunächst im Warschauer Ghetto und schließlich in seinen vielen Verstecken. Es sind die Schauplätze des Unterschlupfs, die es Polanski erlauben, ein immer wiederkehrendes Motiv noch deutlicher herauszuarbeiten: der Blick aus dem Fenster. Vom ersten Moment, als die Familie beobachtet, wie die Mauer um das Ghetto hochgezogen wird, bis zu Szpilmans letztem Versteck, von wo aus er die Russen anrücken sieht, schauen wir immer wieder mit Szpilman von innen nach außen.
Während sich in früheren Filmen Polanskis – wie in „Ekel“ oder „Der Mieter“ – die Innenräume als klaustrophobisch bedrückende, teils feindliche Orte entpuppen, sind sie hier als Schutzräume skizziert. Sie bieten Szpilman die sichere Distanz, aus der er das Geschehen beobachten kann. Und obgleich sich der Protagonist nicht eingesperrt fühlt, sondern es tatsächlich ist, reizt Polanski die Situationen beklemmender Enge nicht derart aus, wie man es von ihm erwarten würde. Zu real ist die Grausamkeit, zu bedeutsam die Thematik.
Nicht nur in dieser Hinsicht ist „Der Pianist“ einer der untypischsten Filme Polanskis. Er bewegt sich innerhalb eines für ihn eher ungewöhnlichen Rahmens konventioneller Stilmittel. Doch ist es vielleicht gerade diese Klarheit, diese bisweilige Distanziertheit und das Unpathetische, das den Film so glaubwürdig und ergreifend macht.
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