Kultur: Die Frauen, die Barmherzigkeit lebten Arche-Vortrag: Die Borromäerinnen in Potsdam
Die Hungrigen speisen, die Durstigen laben, die Nackten bekleiden, die Kranken und Gefangenen besuchen, die Toten begraben, den Zweiflern raten, die Unwissenden belehren, die Sünder ermahnen, die Traurigen trösten, Beleidigungen verzeihen, lästige Personen ertragen und für Lebende und Tote beten, all das sind Werke der Barmherzigkeit. Nichts davon haben die Borromäerinnen bei ihrem 142-jährigen Wirken in Potsdam unterlassen, weder in der sozialen Not der Sechziger und siebziger Jahre des 19.
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Die Hungrigen speisen, die Durstigen laben, die Nackten bekleiden, die Kranken und Gefangenen besuchen, die Toten begraben, den Zweiflern raten, die Unwissenden belehren, die Sünder ermahnen, die Traurigen trösten, Beleidigungen verzeihen, lästige Personen ertragen und für Lebende und Tote beten, all das sind Werke der Barmherzigkeit. Nichts davon haben die Borromäerinnen bei ihrem 142-jährigen Wirken in Potsdam unterlassen, weder in der sozialen Not der Sechziger und siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts noch im Ersten Weltkrieg und in den Zeiten danach, bis sie letzten Sommer Potsdam verließen. Der weithin vorzügliche Ruf des S. Josef-Krankenhauses ist unmittelbar mit ihrem Ordensnamen verbunden, so sehr, dass auch hochgestellte SED-Funktionäre dieses ehrwürdige Spital dem hochgerüsteten Regierungskrankenhaus „ihrem Leben zuliebe“ vorzogen. Am Dienstag gedachte der Potsdamer Michael Kindler dieser barmherzigen Ordensschwestern in der „arche“ vor viel Publikum in aller Dankbarkeit. Er hat über dieses Thema gearbeitet und einiges bereits veröffentlicht, auch im Internet. Seine Ausführungen stützten sich auf die selbstgeschriebene Chronik der Borromäerinnen, welche 1862 in der alten Gewehrfabrik Hofbauerstraße die Kinder- und Waisenpflege („St. Josephs-Rettungs- und Waisenhaus“) aufbauten, zuerst für katholische Pfleglinge, die zu den ärmsten Bevölkerungsschichten des Potsdamer Einzugsbereiches zählten. Ein Sack Kartoffeln, ein Säckchen Erbsen, „nicht Schloss noch Riegel in den kahlen Zimmern“, das war alles, was die dreiköpfige Vorhut unter Leitung von Schwester Mechthilde vorfand. Ihr Mutterhaus steht seit 1811 in Trier, doch schon 1679 legten die ersten Schwestern „das ewige Gelübde“ auf den 1610 heiliggesprochenen Grafen Karl Borromäus (Carlo Borromeo) ab, Erzbischof zu Mailand, welcher durch strenge Kirchenzucht und Bekämpfung der Protestanten das geistliche Leben zu erneuern suchte. Eine Enzyklika seines Namens von 1910 richtete scharfe Worte gegen den reformatorischen Widergeist in Deutschland, aber ein Borromäus-Verein bemühte sich schon ab 1845 um die „Verbreitung guter Bücher“. Um so mutiger, dass sich die Barmherzigen Schwestern mit Potsdam gleichsam ins Zentrum des reformierten Glaubens trauten und beim Kronprinzenpaar Wilhelm und Victoria allerhöchste Gunst und Unterstützung genossen. Sie übernahmen die damals unübliche Hauspflege der Siechen aller Konfessionen, arbeiteten als Lehrerinnen an der katholischen Schule, gründeten 1869 das S. Franziskus-Altersheim und die erste „Kinderverwahranstalt“, damit sich die Mütter etwas dazuver-dienen konnten. Ein Segen für die Stadt. Die Pflege von Verwundeten beider Fronten in den Kriegen nach 1860 brachte ihnen üble Verleumdungen ein. Als das von Pfarrer Xaver Beyer energisch vorangetriebene Projekt S. Josef-Krankenhaus 1862 geweiht wurde, übernahmen sie uneigennützig alle wichtigen Ämter, von der Verwaltung bis zum OP-Dienst, bis zuletzt, 2004. Ihre Chronik freilich endet 1940. Kindler betonte, wie sehr die Borromäerinnen auch die „Geringsten“ nicht vergaßen, das Dienstjubiläum einer Küchenfrau etwa. Nach 1945 betätigten sie sich als Trümmerfrauen am eigenen Hause, und zu Ostzeiten sorgten sie für den guten Ruf von S. Josef, wo christliche Nächstenliebe der medizinischen Versorgung stets voranstand. Der Ruf jedes Krankenhauses ruht allein auf der Art ihrer Schwestern, leicht gesagt. Zur Inflation 1922/23 wäre es mit S. Josef schon einmal vorbeigewesen, hätten nicht ausländische Spender mit Dollar ausgeholfen. Nun fehlt es an Nachwuchs und an der Art, ein Spital nach heutigen Anforderungen zu führen. Die Ordensschwestern zogen sich nach Trier zurück. Sie haben gesorgt und gepflegt, die Hungrigen gespeist und Kinder begraben, alles mit einer Gabe, die heute immer mehr fehlt, Barmherzigkeit. Gerold Paul
Gerold Paul
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