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Kultur: „Die Geige gehört zu meinem Körper“

Die lettische Stargeigerin Baiba Skride spielt heute mit der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal zwei Violinkonzerte

Stand:

Sie spielen auf Konzertpodien in aller Welt. Gefällt Ihnen das Leben aus Koffern?

Ja. Ich kann nicht lange zu Hause sein. Aber jetzt, da ich Mutter bin, wird sich das bald etwas ändern. Wenn mein 14-monatiger Sohn in den Kindergarten kommt, werde ich mehr Pausen einlegen. Jetzt reist er aber noch mit und mein Mann, der Vaterschaftsurlaub genommen hat, versorgt ihn, wenn ich arbeite. Wenn ich nächste Woche für vier Tage nach Amerika fliege, bleiben die beiden aber zu Hause in Hamburg. Ich möchte dem Kleinen keinen Jetlag zumuten.

Viele Künstler verzichten für ihre Karriere auf Kinder.

Für mich war Familie immer wichtig. Karriere ist vergänglich, irgendwann stehst du allein da. Klar, du gibst der Welt die Kunst, aber mit einem Kind erschaffst du etwas ganz anderes.

Sie standen schon mit fünf Jahren auf der Bühne. Ähnlich wie Mozart, von dem Sie in Potsdam ein Violinkonzert spielen. Das Verhältnis von Mozart zu seinem ehrgeizigen Vater blieb nicht ungetrübt.

Ich möchte mich nicht mit Mozart vergleichen. Auch waren meine Eltern keine Tyrannen, die uns ständig zum Üben anhielten, um Karriere zu machen. Sie wollten uns aber auf die beste berufliche Laufbahn vorbereiten. Und gemeinsam mit meinen beiden Schwestern hatte ich viel Spaß beim Musizieren. Natürlich haben wir auch mal gemeckert und uns Tricks ausgedacht, wie wir den Eltern vortäuschen konnten, geübt zu haben.

Wo hatten Sie Ihre ersten Auftritte?

Wir reisten mit Mutter und Vater gemeinsam durch Lettland und da wir über 90 Musikschulen haben, fanden sich viele Bühnen. Gerade in den kleinen Kaffs freuten sie sich, wenn wir drei Kinder sangen und spielten und von unserer Mutter am Klavier begleitet wurden.

Spielen Sie noch heute mit Ihren Schwestern?

Mit der Kleinen, der Pianistin, trete ich sehr oft auf. Mit der Älteren, die Bratsche spielt, leider selten. Sie ist im Orchester engagiert und bekommt ihr zweites Kind.

Sie bringen nach Potsdam auch das Werk eines Landsmann mit: „Fernes Licht“ von Péteris Vasks. Ein großer Kontrast zu Mozart?

Diese Musik ist für mich ein Stück Heimat, sie erinnert mich an die Jugend. Es ist eine verständliche Musik und die Atmosphäre mag ich sehr. Sie ist mit Mozart, überhaupt mit den Klassikern, nicht zu vergleichen. Es ist eine ganz andere Musikalität. Auch technisch muss man sie anders angehen: Bei modernen Werken ist viel mehr Kraft und Ausdauer vonnöten. Aber ich gehe die Stücke mit der gleichen Emotionalität an. Da ich Péteris Vasks persönlich kennenlernen durfte und er ein so herzlicher Mensch ist, möchte ich auch deshalb das Beste geben.

Gab es in Ihrer Karriere schon einen „Stolperstein“?

Eigentlich nicht. Es hat sich irgendwie immer alles ergeben. Von Lettland kam ich an die Hochschule für Musik und Theater nach Rostock. Ein neuer Lebensabschnitt begann vielleicht bei einem der weltweit bedeutendsten Musikwettbewerbe: dem „ Concours Reine Elisabeth“ in Brüssel.

Bei dem Sie 2001 den ersten Preis erhielten.

Ja. Seitdem wurde anders auf mich geguckt. Das war die schwerste Zeit: Ich musste noch mehr Verantwortung tragen, noch mehr beweisen.

Sie spielen eine Stradivari aus dem Jahre 1725, die Ihnen von der Nippon Music Foundation ausgeliehen wird und zwei Millionen Euro wert ist. Zittern Sie da nicht, dass sie Ihnen verloren gehen könnte?

Als Kind habe ich schon mal eine Geige liegengelassen. Das war so ein Schock, dass sich das eingebrannt hat. Inzwischen gehört meine Geige einfach zu meinem Körper.

Hatten Sie Gelegenheit, sich Potsdam anzusehen.

Ja, gestern liefen wir etwas durch die Innenstadt: Sie ist wirklich sehr hübsch und so niedlich. Als ich vor zwei Jahren das erste Mal hier war und bei der Schlössernacht musizierte, sah ich nur den Park bei Nacht. Erst jetzt konnte ich sehen, wie hier alles so schön rausgeputzt ist.

Haben Sie Lampenfieber und gibt es ein Ritual, wie Sie sich auf ein Konzert vorbereiten?

Ich habe kaum Lampenfieber, da ich schon als Kind gelernt habe, mit der Situation umzugehen. Wenn ich eine halbe Stunde vor dem Konzert beginne, mich zu schminken, ist das meine Entspannungszeit.

Das Gespräch führte Heidi Jäger.

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