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Kultur: Die Geschichte von einem, der reitet

Voraufführung von Volker Schöndorffs „Ulzhan“ im Filmmuseum / Gespräch mit dem Regisseur

Knut Elstermann hatte es leicht mit seinem Gesprächspartner Volker Schlöndorff, der am Freitagabend nach der Voraufführung seines jüngsten Films „Ulzhan“ im Filmmuseum von ganz alleine munter drauflos plauderte. Überzeugt habe ihn sein Freund, Drehbuchschreiber Jean-Claude Carrière vor allem mit der letzten Einstellung des geplanten Films „Ulzhan“.

Da nämlich liegt Charles (Philippe Torreton), eigentlich entschlossen, sich umzubringen, auf einem Schneefeld in den hohen zentralasiatischen Bergen und sieht: einen geduldig Heu fressenden Schimmel, der darauf wartet, dass Charles nun endlich begreift, dass er durch Liebe gerettet wurde. Diese bringt ihm während seiner scheinbar ziellosen Reise durch Steppe und Berge Kasachstans die asiatisch tiefgründig-schöne Titelheldin Ulzhan (Ayanat Ksenbai) entgegen, indem sie ihn mehrmals vor dem fast schon sicheren Untergang rettet. Sie lässt sich einfach nicht davon abbringen, dem Franzosen durch das uns unbekannte Kasachstan nachzulaufen, das heißt nachzureiten. Das Land mit seinen Ölfeldern, der absurd monströsen in die Steppe gesetzten Hauptstadt Astana, Gulag-Hinterlassenschaften, vorzeitlichen Höhlenmalereien und weiten Landschaft spielt eine Hauptrolle, und David Bennent, der ehemalige „Blechtrommler“ als weiser, Worte verkaufender Hippie-Schamane, ebenfalls. Die immer märchenhafter werdende Handlung des als Road Movie beginnenden, wegen Benzinmangels dann aber zum „Walk-“ und später zum „Ride Movie“ mutierenden Eastern kann nur symbolisch gedeutet werden, oder, wie Schlöndorff selbst es locker zu formulieren wusste, als „wahrscheinlich noch so“n Altmännertraum“.

In der Tat ist Ulzhan mindestens zwanzig Jahre jünger als der verzweifelte Charles, aber man freut sich doch, wenn die schwarzhaarige Schöne immer im richtigen, weil rettenden, Moment hinter einem Busch auftaucht. Als „falsche Pisten“ bezeichnete Schlöndorff den Beginn des Films, die aber gelegt werden müssen, um den Zuschauer zu fangen. Die Geschichte „von einem, der reitet und einer anderen, die ihm nachreitet“, müsse erst mal akzeptiert werden.

Der Oscar-preisgekrönte Regisseur erzählte von den Schwierigkeiten beim Drehen in Kasachstan, wo es nicht einfach war, mit dem Tross aus fünfzehn LKWs und siebzig Menschen in der Steppe oder im Gebirge zu drehen. Und, dass er auch das zeigen wolle, was der „Mensch seinem Planeten antut“. So ist „Ulzhan auch eine Art Reisefilm, der nicht nur die Schönheiten der wilden Landschaft, sondern auch das „Polygon“ genannte Areal der Atombombenversuche, Ölfelder und verlassene LPGs zeigt.

Knut Elstermann wechselte dann abrupt das Thema und sprach die Auseinandersetzung mit der Produktionsfirma „Constantin“ an, die Schlöndorff zunächst als Regisseur für „Die Päpstin“ engagiert hatte. Nach dessen Weigerung, den Stoff für viele Mehrteiler in die Länge zu ziehen, kündigte sie ihm aber. Der Regisseur war selbst verwundert, habe er doch „nicht damit gerechnet, dass die mich feuern werden“, und begann gegen die aktuelle Politik der großen Produktionsfirmen zu wettern. Da werden nämlich Kinofilme mit Fernsehgeldern künstlich zu Mehrteilern ausgeweitet, die dann als „verlängerte Suppe“ ins TV kämen. Das führe langfristig zum Untergang der unabhängigen kleinen Produktionsfirmen und zu einer künstlerischen Verarmung des Films.

Von „altem Mann“ war bei dieser Argumentation jedenfalls nicht viel zu spüren, regt sich doch immer noch der Drang zur Gerechtigkeit und besseren Welt, weshalb Volker Schlöndorff so geliebt wird.

Lore Bardens

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