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Er sieht hin. Sänger Steve Earle.

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Kultur: Die Glut seiner Lieder

Steve Earle im Radiokonzert

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Üblicherweise bewerben Radiostationen Konzerte, eher selten geben Musiker Konzerte direkt im Funkhaus. Denn auch wenn Radiosender von Tausenden gehört werden, im Studio selbst sitzt der Moderator allein, allenfalls mit einem Techniker im Rücken und hin und wieder einem Gast. Mehr Platz ist gar nicht vorgesehen. Das ist auch bei Radio Eins in Babelsberg so. Meistens.

Am Mittwochabend wurde der Flur des Senders im zweiten Stock zum Aufnahmestudio von Prime Cuts, der wöchentlichen Radioshow von Peter Radszuhn. Der Musikchef des „Senders für Erwachsene“ hatte in der letzten Woche Karten für eine besondere Gästeliste verlost. Erwartet wurde der Singer-Songwriter Steve Earle. Knapp 40 Hörer kamen in den Genuss, das Konzert in heimeliger Backstage-Atmosphäre zu erleben. Alle anderen konnten es vor den Radios verfolgen.

Der langbärtige Texaner stellt sich ganz bewusst in die Tradition von Woody Guthrie und Bob Dylan, die er allerdings rockig weiterschreibt. 2011 hat er in einem Roman das kurze Leben von Hank Williams reflektiert und parallel dazu mit „I’ll never get out of this world alive“ ein Album im Geiste seines musikalischen Ahnherrn produziert. Davor veröffentlichte er ein Album voller Coverversionen seines ebenfalls viel zur früh verstorbenen Freundes Townes van Zandt, dem Vater der Musikrichtung Americana.

Im Augenblick aber schwärmt Steve Earle am liebsten von „der besten Band, die ich je hatte“. Mit ihr hat er das im April erscheinende Album „The Low Highway“ aufgenommen, das sie noch in diesem Jahr auf einer Tournee vorstellen wollen. Begeistert nennt der Songwriter jeden einzelnen Namen der abwesenden Bandmitglieder, die ihn teilweise schon seit Jahren begleiten. In der räumlichen Enge des Radiostudios muss er allein auftreten, die Glut aus der seine Lieder entstehen, ist dennoch spürbar.

Er wolle keine Geschichtsschreibung betreiben, sagt Earle, sondern das aktuelle Amerika beschreiben, die große wirtschaftliche Depression, die eben nicht Vergangenheit, sondern akute Gegenwart ist. Man brauche nur aus dem Autofenster auf den „Low Highway“ zu schauen. Aber viele wollen gar nicht sehen wie die „Neighbours“, für die der zerlumpte Nachbar unsichtbar ist. Und die von den unsozialen Arbeitszuständen bei WalMart, einer Supermarktkette, nichts wissen wollen.

„Burning it down“ sinniert Earle in seinem melodisch texanischen Dialekt, der so unhektisch und unaggressiv klingt, als würde da einer holzsammelnd durch die Wälder ziehn. „Remember me“, eine Bitte an den noch kleinen Sohn, ist dann auch eher ein Antizerstörungs-, ein Hoffnungsschimmerlied. In einem seiner bekanntesten Lieder, das Earle im Laufe seiner Karriere bereits dreimal aufgenommen hat, „The devil’s right hand“, erinnert sich der 58-Jährige an seine eigene Kindheit im „Waffenlager Texas“. Als er es 1977 schrieb, hatte er gar nicht beabsichtigt, ein Lied über die Notwendigkeit der Waffenkontrolle zu schreiben. Heute singt er es aus eben diesem Grunde.

Als Zugabe und auf Wunsch des Gastgebers endet der Abend im „Transcendental Blues“. Lene Zade

Lene Zade

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