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Kultur: Die Gnade der Maschine

Man fühlt sich nach Metropolis versetzt: Menno Veldhuis’ sperrige Gesellen in der Urania

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Müßig die Frage, ob es denn „Funktionslose Maschinen“ überhaupt gäbe. Natürlich gibt es sie. Man muss nur zur Potsdamer Urania gehen. In deren Vortragsraum hängen ihre Konterfeis, mindestens zehn. Schön sind diese Gebilde aus der Imaginations-Zentrale von Menno Veldhuis gerade nicht, eher verwunderlich, funktionstüchtig genauso wenig. Aber schrieb der niederländischen Avantgarde-Architekt Jacobus Johannes Pieter Oud (1890-1963) nicht in den zwanziger Jahren: „Ich beuge das Knie vor den Wundern der Technik, doch ich glaube nicht, dass ein Dampfer mit dem Parthenon verglichen werden kann“. Er war ja auch überzeugt, „dass die reine Benutzung der Maschine zu ästhetischen Ergebnissen führt“. Was für ein gedanklicher Weg von den maschinenstürmenden Ludditen des frühen 19. Jahrhunderts bis zur Vergötzung der Technik gestern und heute.

Vielleicht ist dies das Verdienst dieses niederländischen Malers, mit seinen provokant-paradoxen Bildern, solcherart Rezeptions-Wölkchen auf den Weg geschickt zu haben. Jede Kunst ist ja zuerst Gedanke, Künstlers Pflicht, Gedanken mittels Kunst zu transportieren.

Es sind ja auch merkwürdige Gesellschaften, die sich der in Potsdam schaffende Maler in Seria und Öl ausgedacht hat. Menno Veldhuis malt wie im Spiegel. Mannshoch verschlungene Phantasie-Konstruktionen in eiskalten Blau- und Grüntönen. Dynamische Chimären zwischen Sportlergestus und Architektur. Verschlungene Funktionslosigkeit. Mal zwängt sich eine Menschenfigur aus der kalten Stahlform heraus, mal schmilzt sich ein Gesicht in das Maschinen-Wesen ein, die Richtung dieser Bewegung ist ambivalent.

Hier gilt die Umkehr des Oudschen Satzes: Die Benutzung von Ästhetik führt zu Maschinen, freilich zu funktionslosen, also toten. Ein ganzer Raum voll gemalten Gestänges, Schienen, Kapselgelenk, Bolzen, Mutter, Pleuel und Rad – man fühlt sich nach Metropolis versetzt, unterste Etage. Oder wie in Chaplins „Modern Times“: Der Rezipient muss selbst hinein in dieses rasch gemalte Räderwerk, sonst wird das nichts.

Menno Veldhuis“ sperrige Gesellen kommen zum richtigen Moment, denn wie Oud einst, so spricht ja auch die jetzige Zeit von der „Gnade der Maschine“, oder himmelt ihre technische Vollkommenheit an. Doch Obacht! Könnten die anthropomorphen Konstrukte eines Menno Veldhuis nicht auch auf die funktionslos gewordene „Maschine Mensch“ hindeuten wollen? Gerold Paul

Zu sehen bis zum 24. April zu den Geschäftszeiten der Urania, Mo, Di, Do von 9 bis 18 Uhr, Mi und Fr 9 bis 13 Uhr, Gutenbergstraße 71/72

Gerold Paul

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