ZUR PERSON: „Die Handkamera war mein literarischer Kummerkasten“
Schriftsteller John von Düffel hat sich beim Schreiben filmen lassen - Heute spricht er in der Villa Quandt über seine Erfahrungen mit dem Literaturbetieb
Stand:
Herr von Düffel, was ist so interessant am Prozess des Schreibens, dass Sie darüber zusammen mit Jörg Adolph den Dokumentarfilm „Houwelandt – Wie ein Roman entsteht“ gedreht haben?
Mich nur beim Schreiben zu filmen, ist tatsächlich nicht abendfüllend. Aber der Film zeigt ja nicht nur die Entstehung des Romans, sondern den ganzen Weg des Buches durch den Literaturbetrieb. Man erlebt die Verzahnung zwischen Verlag, Autor und Lektorat und die anschließende Vermarktung. Das geht über die Frankfurter Buchmesse bis hin zu Lesungen in New York. Eine Art Sendung mit der Maus vom ersten Tastenschlag des Schriftstellers bis hin zum Käufer des Buches.
Aber worin lag für Sie der Reiz, sich beim Schreiben filmen zu lassen?
Ich muss zugeben, dass dies nicht meine, sondern die Idee von dem Dokumentarfilmer Jörg Adolph war. Der hat sich schon auf unterschiedlichste Weise mit solchen Entstehungsprozessen auseinandergesetzt. Er hat Filme über ein Architektenpaar gedreht, das an der englischen Küste eine Kirche ins Meer bauen will, über die Entstehung eines Theaterstücks und über die Aufnahme eines Albums der Band Notwist. Das sind Einblicke in die Werkstatt. Dabei zeigen die Filme nicht nur die künstlerische Seite, sondern auch dass es einen Markt gibt, oder Produzenten oder Auftraggeber. Das ist dann die Verzahnung mit der Wirklichkeit, die oft sehr unkünstlerisch ist.
Ist „Houwelandt – Wie ein Roman entsteht“ dann auch der Versuch, mit dem romantischen Klischee vom weltfremden Autoren aufzuräumen, der nur in seiner Klause sitzen muss, um bewegende Literatur zu schreiben?
In der Tat, der Film ist ein brachialer Gegenentwurf zu dem genialisch, vom Rotwein leicht angesäuselten Dichter, der im Café sitzt und ab und an einen überragenden Gedanken aufs Papier bringt. Es wurde auch gesagt, dass dieser Film geradezu ein abschreckendes Beispiel für jeden sei, der überlegt, ob er selbst einen Roman schreiben sollte. Denn man sieht auch die Härte und die Dauer der Arbeit sieht. Somit ist der Film auch eine Art Langzeitstudie, der man sehr deutlich anmerkt, was mich die Arbeit an dem Buch für Kraft und Energie gekostet hat. Ich sehe da manchmal schon aus wie mein eigener Vater.
Wenn Sie von einer Art Langzeitstudie sprechen, über welchen Zeitraum zogen sich die Arbeiten zu „Houwelandt – Wie ein Roman entsteht“ hin?
Die Arbeit an dem Roman „Houwelandt“ selbst hat zwei Jahre in Anspruch genommen. Aber natürlich hat Jörg Adolph nicht zwei Jahre lang mit seiner Kamera neben meinem Schreibtisch gestanden. Das wäre auch für einen hingebungsvollen Dokumentarfilmer zu viel verlangt. Er war bei den entscheidenden Punkten dabei. Aber so ein kreativer Prozess ist nicht planbar und somit hat er doch relativ viel Zeit investiert.
Ist das nicht ein Störfaktor, wenn da jemand mit seiner Kamera neben einem am Schreibtisch steht. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Authentizität des Schreibprozesses nur inszeniert wird?
Inszenierung hat Jörg Adolph abgelehnt. Wichtig war ihm dabei zu sein, wenn ich das Ende schreiben würde. Er hat gesagt, ich soll ihn anrufen, wenn ich das Gefühl habe, wenn es soweit ist. Er wollte nicht, dass ich nur so tue als würde ich das Ende schreiben. Er kam dann zu mir und stand drei Tage neben meinem Schreibtisch, während ich das Ende schon nahe wähnte, es aber nicht hin bekam. Und irgendwann, am Ende des dritten Tages, tief in der Nacht, habe ich dann unter die letzte Zeile das Wort Ende geschrieben. Jörg Adolph war danach so erleichtert. Aber nach einem kurzen Moment habe ich ein Fragezeichen dahinter gesetzt, weil ich mir einfach nicht sicher war.
Sie haben aber auch selbst mit einer Handkamera gefilmt.
Ja, mein literarischer Kummerkasten. Dem ich immer erzählt habe, wo es gerade hakt, was meine Schwierigkeiten, meine Nöte sind. Diese etwa fünf Stunden reinste Autorendepression hat der Ärmste dann auch noch auswerten müssen.
Worin bestehen diese Schwierigkeiten und Nöte während des Schreibens?
Die Arbeit des Schriftstellers ist immer eine mit vielen Sagen und Legenden umwobene. Der Film zeigt aber, dass es eine lange und auch physisch harte Arbeit ist, eine Art Marathon. Das ist ja schon etwas, was der romantischen Vorstellung vom Dichter zuwider läuft. Die andere abschreckende Seite ist sicher der Literaturbetrieb.
Kann der Autor das nicht auf Abstand halten?
Nein, denn da hat man mehrere Jahre sein Innerstes nach außen gekehrt und dann kommen die Vermarktungskeulen, die Interviews und andere Zugeständnisse. Und alles, was vorher so spannend und komplex war, wird vereinfacht. Muss es auch, denn anders funktioniert dieses Nadelöhr von Literaturvermittlung nicht. Aber es ist brutal, wenn man weiß, wie viel Arbeit in einem solchen Buch steckt und das nicht mehr wichtig ist in der Art und Weise wie das verkauft werden soll.
Der Film ist nun schon fünf Jahre alt. Hat sich in der Zwischenzeit diese Vermarktungseinstellung im Literaturbetrieb noch verschärft?
Ja, das Ganze ist noch medialer geworden. Als Autor muss man heute im Fernsehen vorkommen, man muss neben der Geschichte seines Buches auch noch eine Story als Autor haben ähnlich wie bei Helene Hegemann. Das gehört mittlerweile dazu, weil sich das Werk allein nicht mehr so gut vermarkten lässt. Dafür ist eine Sensation immer gut. In dieser Hinsicht ist der Literaturbetrieb noch perfider und auch perverser geworden.
Das Gespräch führte Dirk Becker
John von Düffel ist am heutigen Samstag, 18 Uhr, zu Gast im Brandenburgischen Literaturbüro in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47, um nach der Vorführung des Dokumentarfilms „Houwelandt – Wie ein Roman entsteht“ über die Lust und Last des Schreibens zu sprechen. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro
John von Düffel, geboren 1966 in Göttingen, ist Schriftsteller und derzeit als Dramaturg des Deutschen Theaters in Berlin. Er war unter anderem als Theater- und Filmkritiker, als Hörspielautor, Dramatiker und als Übersetzer tätig.
Für sein Debüt „Vom Wasser“ wurde John von Düffel mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet. Im Jahr 2004 drehte Jörg Adolph mit John von Düffel den Dokumentarfilm „Houwelandt – Ein Roman entsteht“. John von Düffel lebt in Potsdam.D.B.
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