Kultur: Die harmlosesten Männer der Welt
Filmorchester Babelsberg schürte im Nikolaisaal bei „Dick und Doof“ die Emotionen
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Das Mitleiden an der Kreatur Mensch: unterhaltsamer als mit Stan Laurel und Oliver Hardy ist das bis heute im Film kaum gezeigt worden.
Mit den Herren Stan und Olli, im Deutschen etwas profaner aber auch um einiges plakativer als Dick und Doof bekannt, eröffnete der Nikolaisaal am Freitag die neue Konzertsaison. Gut ein Jahr Planung war nötig, um die entsprechend überarbeiteten Filmkopien zu bekommen und drei Saxophonisten des Ensembles The Beau Hunks aus Amsterdam zu engagieren. Die Herren Dick und Doof nicht im Fernsehen, sondern auf der Kinoleinwand zu erleben, dazu das Filmorchester Babelsberg unter Scott Lawton die musikalische Begleitung liefert, so etwas hat Seltenheitswert.
Umso erstaunter war mancher, als er in den Saal trat und nur knapp Dreiviertel der Plätze besetzt waren. Eigentlich hatte man ein ausverkauftes Haus erwartet. Am Ende dann die Befriedigung, etwas wirklich Besonderes erlebt zu haben, vermischt mit ein wenig Schadenfreude, denn selber schuld, wer sich das hat entgehen lassen!
Mit dem Stummfilm „Their Purple Moment“ (Dick und Doof im Sündenpfuhl) aus dem Jahr 1928 wurde der Filmabend eröffnet. Und es war ein gutes Gefühl, Stan Laurel und Oliver Hardy nach all den Jahren wie zwei gute Bekannte wiederzusehen. Stan, mit oftmals tranigem Blick und grenzenlosem Phlegma, ein wahrer Stoiker in dieser Welt. Olli, sich weltmännisch gebend, immer die treibende Kraft bei dem, was die beiden zwangsläufig in die nächste mittelschwere Katastrophe führt. Dabei sind die beiden die harmlosesten und unbedarftesten Männer dieser Welt.
Oft, so auch in „Their Purple Moment“, wollen Stan und Olli für ein paar Stunden nur dem Ehealltag entfliehen. Doch wer in die misstrauischen Gesichter ihrer Ehefrauen schaut, erkennt sofort, dass den beiden nur eine Notlüge die Möglichkeit für diese Flucht erlaubt. Und natürlich nimmt so das Schicksal seinen Lauf. Das heimlich angesparte Geld wurde entdeckt und vom geliebten Weib durch Coupons ersetzt. Und als Stan und Olli ganz generös die Retter in der Not spielen wollen, in der Annahme ihrer Dollar in der Geldbörse, ahnt nur das Publikum, wohin das führen muss.
Apropos Publikum. Das geriet im Nikolaisaal gelegentlich regelrecht aus dem Häuschen. Da wurde viel gelacht, das ist schon klar. Aber auch viel mitgelitten, Hände gerungen, Haare gerauft, wenn sich die nächste dunkle Wolke über den beiden noch freudestrahlenden Herren Dick und Doof zusammenbraute. Und man fragte sich, ob man je solche Emotionen bei seinen letzten Kinobesuchen erlebt hat.
Nicht unerheblich an diesem Auf und Ab der Gefühle waren die Musiker des Deutschen Filmorchesters Babelsberg. Sie lieferten den idealen Soundtrack zu den Schwarzweißbildern auf der Leinwand. War man bei den Filmen vor allem auf die Handlung konzentriert, konnte nach der Pause ohne Film genossen werden, wie viel swingendes Leben in dieser Musik steckt. Kraftwerk in diesen pulsierenden Rhythmen waren drei Saxophonisten des Ensembles The Beau Hunk, das sich um die Wiederentdeckung und Wiederbelebung der originalen Musik für die Dick-und-Doof-Stummfilme verdient gemacht hat. Mit lässiger Haltung aber druckvollem Spiel trieben sie die Mitmusiker an, denen man die Freude an derartigen Exzessen ansehen konnte. Das Publikum ließ sich gern anstecken. Dann noch ein Film und schon war Schluss. Viel zu früh. Aber mal ehrlich, auch nach sechs oder acht Filmen hätte mancher immer noch nicht genug gehabt, von den Herren Stan Laurel und Oliver Hardy und ihrem unübertroffenen Talent, die alltäglichen Katastrophen magisch anzuziehen und dann entsprechend auszukosten.
Dirk Becker
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