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Kultur: Die heilende Wirkung der Musik

Die Kammerakademie und „Live Music Now“

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„Ich hatte das erste Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich etwas wirklich Sinnvolles tue“, bekundete der 20-jährige Pianist Xiao Xiao Zhu vor seinem Auftritt im Nikolaisaal Potsdam. Seine offenen Worte gehörten zur Vorstellung des Vereins „Live Musik Now“, der am Sonntagnachmittag erstmals zu Gast bei der Kammerakademie Potsdam war. Der von Yehudi Menuhin gegründete Verein setzt auf die heilende Wirkung der Musik und trägt diese an Orte, wo sie eher nicht zu finden ist, wie Gefängnisse, Krankenhäuser, Altersheime oder Schulen in sozialen Brennpunkten.

So berichtete Xiao Xiao Zhu von Konzerten in Grundschulen in den Berliner Bezirken Kreuzberg und Neukölln: „Ich spiele am liebsten in den ersten und zweiten Klassen, weil hier die Kinder noch ganz unvoreingenommen zuhören“. Die junge Geigerin Annedore Oberborbeck erzählte von einem bewegenden Konzert bei geistig behinderten Menschen. Als sie Beethovens „Frühlingssonate“ spielte, sei ein junges Mädchen einfach zu ihr nach vorne gegangen und habe angefangen mitzusingen.

Seit über dreißig Jahren veranstaltet „Live Music Now“ Konzerte in Europa, der Berliner Verein existiert seit zwölf Jahren. Inzwischen werden auch Potsdamer Institutionen wie das Oberlin-Haus und demnächst das Bergmann-Klinikum bespielt, sagte Asta von Oppen, die Vorsitzende des Vereins, für den Berlin und Potsdam „ein gemeinsames Areal“ darstellt. Gelegentliche Auftritte unter „normalen“ Konzertbedingungen gehören ebenfalls zur Förderung von Live Musik Now. Von den derzeit 61 Stipendiaten durften sich drei im Nikolaisaal als Solisten vorstellen.

Mozarts Klavierkonzert Nr. 11 in F-Dur wird nur selten öffentlich gespielt, klingt aber schon sehr nach „Mozart“ – unterhaltsam, anmutig, brillant. Der Solist erhält viel Raum für virtuose Kadenzen. Das Konzert wird zu einem durchaus sinnvollen Genuss, wenn es so frisch, funkelnd, fühlbar sinnlich und dabei stets mit weich gerundetem Anschlag gespielt wird wie von Xiao Xiao Zhu. Dass Camille Saint-Saens, der Schöpfer vom „Karneval der Tiere“, ein ernsthafter Komponist und in vielen Gebieten zu Hause war, wird gelegentlich vergessen. Von seinen dreizehn Opern hört man einzig noch „Samson und Dalila“. Daraus trug die Mezzosopranistin Christina Khosrowa drei dramatische Liebes- und Rache-Arien vor, anrührend, doch den hohen Ansprüchen noch nicht ganz gewachsen. Die mit Holzbläsern (Englisch Horn!), Blechbläsern und Harfe gut gepolsterte Kammerakademie versprühte unter der umsichtigen Leitung von Ferenc Gábor reichlich parfümiertes Flair mit irrisierenden Klangfarben.

Eine Herausforderung stellt auch Ravels Konzertrhapsodie „Tzigane“ dar, die abrupt mit einer langen Kadenz beginnt. Trotz ihrer immensen technischen und musikalisch-expressiven Ansprüche wird sie von immer jüngeren Geigern gespielt. Annedore Oberborbeck, die in Hannover und an der Juilliard School in New York studierte, spielt technisch brillant, doch noch zu wenig substanziell.

Nach diesen beachtlichen Auftritten, kommen die Amateure zu ihrem Recht, wenn auch das Spiel mit der Kammerakademie diesmal viel kürzer als bei früheren „Proben mit Profis“-Konzerten ausfällt. Einzig drei Slawische Tänze von Anton Dvorák wurden gemeinsam mit den rund dreißig Laienmusikern einstudiert. Dennoch ist es wieder ein großes Vergnügen für alle Teilnehmenden, die besonders mit einer grandiosen Cellosektion, einer begabten Flötistin und treffsicheren Schlagzeugern auffallen. Auch dem Publikum gefällt“s, wie der anhaltende Beifall zeigt.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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