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Von Babette Kaiserkern: Die hohe Kunst erlesenster Klangfarben Kammerakademie spielte mit baltischen Gästen

Die drei baltischen Staaten sind geradezu legendär für ihre Musikalität. Insbesondere nach der Unabhängigkeit haben baltische Musik und baltische Musiker einen Siegeszug angetreten, der längst noch nicht zu Ende ist.

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Die drei baltischen Staaten sind geradezu legendär für ihre Musikalität. Insbesondere nach der Unabhängigkeit haben baltische Musik und baltische Musiker einen Siegeszug angetreten, der längst noch nicht zu Ende ist. Auch über dem Stars-International-Konzert im ausverkauften Nikolaisaal strahlte ein baltisches Dreigestirn. Baiba Skride, junge lettische Violinistin mit einem kometenhaften Aufstieg, spielte Werke von Mozart und ihrem Landsmann Peteris Vasks. Der wohl bekannteste Komponist Lettlands war persönlich anwesend. Geleitet wurde das Konzert mit der Kammerakademie Potsdam von der estnischen Dirigentin Anu Tali, die ebenfalls zu den international gefragten Spitzenmusikern aus dem Baltikum zählt.

Anu Tali ist eine zierliche Person, die im Frack auftritt und ohne Stab dirigiert. Wenn sie sich auf dem Pult nach links und nach rechts dreht und mit beiden Händen schwingende, präzise Zeichen setzt, wirkt sie wie eine Tänzerin, so als hätte die Musik von ihr Besitz ergriffen und nicht anders herum. Bei der eröffnenden Haydn-Symphonie op. 58 schien es, als ob sie nicht immer gegen die Routine der Kammerakademie ankäme. Das Allegro erklang mit singendem Tonfall, auch im Andante sangen die Geigen, sekundiert von behaglich brummenden Bässen. Doch das Menuett im „hinkenden“ Rhythmus verschreckte mit grellen Akzenten in den hohen Lagen. Beim Presto-Finale war wenig zu hören von den Oboen, umso mehr von der selbstbewussten Streicherfraktion. Mozarts Violinkonzert A-Dur, das letzte und das bedeutendste von fünf, begann etwas schwankend im Klang, abgelöst von einem hoheitlichen ersten Auftritt der Violine in getragenem Adagio – das ließ aufhören. Auf ihrer Stradivari „Wilhelm“, einer Leihgabe der Nippon Music Foundation, verströmte Baiba Skride, anmutige Girlanden und silbrige Schleifen beim Mozart, sphärisch-elegische Klänge beim Vasks-Konzert. In den Kadenzen des Mozart-Konzerts begeisterte sie mit traumwandlerischer Tongebung, erlesenen akkordischen Klangfarben und ausdruckvoller Phrasierung. Nicht exzentrisch vordergründige Virtuosität, sondern ausgewogene, reinfarbig blühende Klangfelder bestimmten Baiba Skrides Interpretation. Das Menuett-Finale gerät zum Höhepunkt, auch und gerade beim Zusammenspiel mit den einträchtigen Streichern im exotischen alla-turca-Abschnitt.

Nach der Pause wurde Peteris Vasks dem Publikum vorgestellt. Von der Bitte, etwas über sein Werk zu erzählen, nahm er freundlich Abstand – das wäre ja so als ob ein Architekt in seinem Werk tanzen solle. Er ziehe es vor, „etwas Wichtiges sehr still zu sagen“, womit wohl gemeint war „ohne Worte“.

Direkt still ging es in Vasks Violinkonzert „Tala Gaisma“ (Fernes Licht) natürlich nicht zu, wohl aber entrückt, meditativ und zugleich expressiv. Das seinem Schulfreund Gideon Kremer gewidmete Werk gehört zu den meistgespielten modernen Violinkonzerten. Es verblüfft mit der ungekünstelten Direktheit seiner Klangsprache. Vom höchsten Flageolett-Glissando über den akkordischen Gesang der Geige bis zur einer entfesselten, atonalen Kadenz und den scheinbaren Flötentönen des Finales klingt jeder Ton so, als käme er direkt und ohne Umschweife aus dem innersten Empfinden des Komponisten. Naturanschauung und individuelles Gefühl verschmelzen zu ausdrucksstarken Klangwelten. Ohne aufgesetzte Finessen und Schnörkel erleuchtet Baiba Skride die Vorgaben der Partitur mit der hohen Kunst erlesenster Klangfarben. Die Kammerakademie folgt mit Begeisterung und Präzision. Prasselnder Beifall und lautstarke Bravorufe für ein großartiges Konzert

Babette Kaiserkern

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