
© Manfred Thomas
Kultur: „Die Klangfarbe, die uns gefehlt hat“
Friedemann Werzlau über das Glück neuer Instrumente für die Kammerakademie Potsdam
Stand:
Herr Werzlau, was unterscheidet eine Barockpauke von den Instrumenten, die Sie sonst in den Konzerten mit der Kammerakademie spielen?
Das ist natürlich epochenabhängig. In jeder Epoche wurde auf anderen Instrumenten gespielt. Die Barockpauken besitzen eine spezielle Mechanik, die andere Pauken nicht haben. Sie haben sechs bis acht Stimmschrauben, damit wir sie auf einen bestimmten Ton stimmen können. Vorher, und das reicht bis in die Antike zurück, ging es hier weniger um den Ton, sondern vor allem um Lautstärke. Wie wir wissen, wurden diese Pauken ja vor allem in Kriegen genutzt, um so den Feind einzuschüchtern. Bis zur Renaissance entwickeln die sich dann zum Glück sehr friedfertig, aber sie alle waren nicht stimmbar.
Also wurde die Pauke erst im Barock zu einem wirklichen Orchesterinstrument?
So kann man das sagen. Die Barockpauken sind zwar schwierig zu bedienen, das ist historisch bedingt, aber es ist genau diese Klangfarbe, die uns hier enorm gefehlt hat. Sie klingen einfach anders. Im Barock pflegte man schon ein hochkultiviertes, lichtes und in seinem Spektrum sehr breites Klangideal.
Wie haben Sie sich bisher beholfen, wenn Sie diese Klangfarbe für ein bestimmtes Konzert brauchten?
Wir mussten, wenn wir auf solche Barockpauken angewiesen waren, diese aufwendig entleihen.
Was spricht dagegen, auch weiterhin auf diese Praxis zurückzugreifen?
Auf unseren Pauken kann ich jetzt auch entsprechend üben. Denn jedes Instrument ist anders und jeder Musiker braucht Zeit, um sich auf ein solches Instrument einzustimmen. Und wir können mit den Fellen experimentieren, was auch sehr wichtig ist.
Kaum sind die neue Pauken, schon wollen Sie mit anderen Fellen experimentieren. Warum das?
Weil das einen ganz besonderen Effekt haben wird. Heute spielen wir hauptsächlich auf Kalbsfellen, die von einer irischen Firma auf ganz besondere Art veredelt werden. Die sind mit Blick auf das Abstrahl- und Frequenzverhalten und ständig wechselnden klimatischen Bedingungen einfach optimal. Aber im Barock wurden ausschließlich Ziegenfelle genutzt. Hinzu kommt, dass die heutige Bearbeitungsweise damals noch gar nicht bekannt war. Dadurch verändert sich der Klang erheblich. Es bleibt bei einem gewissen Strahlverhalten, der Klang wird aber etwas grundtonlastiger. Wir hatten das Glück bei einem Konzert in diesem Jahr in der Kölner Philharmonie uns Pauken ausleihen zu können, die mit Ziegenfell bespannt waren. Ein Produkt von einem Österreicher, das mich wirklich überzeugt hat. Das war unglaublich.
Gibt es überhaupt noch originale Instrumente aus dieser Zeit?
Ja, in den einschlägigen Musikinstrumentenmuseen in Berlin, Leipzig und Wien. Auch die wenigen Instrumentenbauer, die heute solche Barockpauken bauen, richten sich nach diesen Originalen. Und da gibt es noch viel mehr zu entdecken. In Wien beispielsweise habe ich einen Triangel aus dem Barock gesehen. Allgemein bekannt ist der Triangel ja als ein im Dreieck gebogener Draht, der eine Öffnung hat. Dieser Triangel ist aber geschlossen und darin waren lauter Ringe, wie Schlüsselringe. Das habe ich dann sofort nachgebaut. Und wenn ich jetzt Triangel in der Barockmusik spiele, dann damit. Denn das ist eine ganz andere Klangästhetik. Die Obertöne werden rausgenommen.
Mussten Sie lange nach den neuen Barockpauken suchen?
Die Zahl der Instrumentenbauer, die solche Pauken noch baut, ist zwar überschaubar, trotzdem hat es ein Jahr gedauert, bis wir die Instrumente gefunden haben, die uns überzeugten.
Ganz ehrlich, wird der Konzertbesucher den Unterschied überhaupt wahrnehmen? Für viele ist doch Pauke gleich Pauke?
Nun, da kann ich nur die Reaktion meiner Kollegen in der Orchesterprobe beschreiben. Die von uns bisher geliehenen Exemplare, die nicht schlecht sind, habe ich zuerst gespielt. Als ich dann zehn Takte Pause hatte, habe ich diese gegen die neuen Pauken gewechselt. Und als ich dann gespielt habe, gingen die Köpfe der Musiker in die Höhe. Das war ein einziges Erstaunen und Erwachen. Denn das ist ja Barockmusik: Diese Verbindung aus dem Martialischen, das die Schlaginstrumenten haben, mit diesem gewissen Übermajestätischen. Genau das bringen unsere Pauken auf den Punkt. Als ich dann wieder auf den geliehenen Pauken spielen wollte, gab mir unser Dirigent Antonello Manacorda eindeutige Zeichen, dass ich das gefälligst lassen solle.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Beim Sinfoniekonzert der Kammerakademie unter der Leitung von Anna-Maria Helsing und mit der Pianistin Elena Bashkirova am Samstag, dem 11. Oktober, 19.30 Uhr, stellt Friedemann Werzlau die neuen Barockpauken im Nikolaisaal vor. Das Konzert ist ausverkauft.
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