
© A. Klaer
Kultur: Die Kunst im Kopf
Werner Damkes „Gemälde aus 30 Jahren“ im Kunstraum
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Das künstlerische Oeuvre von Bernd Damke macht eigentlich alle ratlos. Die Wissenschaft flieht angesichts seiner geometrischen Bildkultur und der eigenwilligen Formensprache in die Refugien ihrer altbewährten Begrifflichkeit, die Kritik behilft sich vor lauter Not mit dem abstrusesten Wortgeschwingel, das Feuilleton beschreibt tapferst, was man sonst nicht verstehen kann. Sagte der 1939 im Anhaltinischen geborene Maler nicht selbst, jeder schaffe sich das Bild neu, als Künstler er, die Wissenschaft als Wissenschaft, Kritik und Feuilleton entsprechend? Keiner traute sich da zu sagen: Großer Meister, alles gut und schön, aber ich kann und will mit diesen Sachen nichts anfangen, keine Lust, auch wenn die fachgeschulte Fachwelt noch so heftig huldigt.
Von solch einer Qualität sind Damkes Bilder, all die monochromen Farbplateaus, die streng gezogenen Trennlinien, die ornamentalen Grundierungen mit ihren Kringeln oder eckigen Flächen darauf, Arbeiten mit Titeln wie „Am Mazonas“, „Himmelfahrt“, „Mit weißem Quadrat“ oder „Zack-hitti-zopp“, seine kleineren und großen Werke. Bernd Damke hat die Qualität eines Autors im Benjaminschen Sinn, er setzt, macht seines, und seine Erklärer folgen und quälen sich ab und wollen partout keine Blamage.
Wie und was sich an diesem Maler im Laufe des Lebens verändert haben könnte, zeigt eine Werkschau aus 30 Arbeitsjahren im Waschhaus-Kunstraum. Kurator Erik Bruinenberg hatte sie noch geplant, sein Nachfolger Mike Gessner führte sie aus. Es handelt sich um frei schwebende oder mehr der Erde zugeneigte Strukturen, die ihre eigene Abstraktion absichtlich auf irgendeine Spitze treiben, um von dort oben aus zu rufen: „Ätsch! Ihr kriegt mich nicht!“ Ist das nun makellos sterile Malerei? Laudatoren und Emissäre quälen sich einen ab, die Balance zwischen Farben und Form, zwischen Titel und Linie, Spannung und Ruhe würdevoll zu beschreiben. Sie gleichen jenen, die alle Teile eines Autos erklären, dabei aber vergessen, dass man damit auch fahren kann. Ein Wohin kommt ihnen erst gar nicht in den Sinn.
Damkes Bilder gleichen solchen Vehikeln. Sie sind keine Rätsel, sind auch gar nicht akademisch, eher verspielt, frech, herausfordernd, übermütig und autoritär. Für humorvolle Betrachter entsteht sogar ein noch besserer Eindruck. Denn Damke macht ernst mit der These, wonach der Kopf eines Betrachters von Abstraktionen und Begrifflichkeiten derart verstopft ist, dass er das Einfachste nicht mehr erkennt. Genau so hat auch Hegel über seine Kritiker geurteilt. Dergestalt sind Damkes Werke absolut konkret, sinnvoll, anschaulich, man muss es nur finden. Ob sie auch Kunst sind, weiß zwar kein Mensch, wie sie wirken, kann jeder Betrachter selbst herausfinden: dem einen nichts, dem anderen mehr.
Für die Akademischen enthält Damkes Oeuvre namentlich Spuren von diesem und jenem, Namen und -ismen aus den Weiten der Kunst. Da geistern zwei in roten Kreisen. Wer da „still leben“ will, kann es nicht tun, Merlin wird auf Damkesche Art „Adieu!“ zugerufen, und die „Olmeken in Vera Cruz“ erkennt man sowieso gleich. Titel wie diese schaufeln Menschsein in die Winkel-Geometrie des Malers, die er oft wie ein Bildhauer darstellt. Ihr Ordnungswille trügt und fördert: Nicht das Bild ist Kunst, erst was ein Kopf daraus macht, indem er es neu erschafft. Jetzt treffen nicht Fläche und Farbe aufeinander, nicht Linie und Form, sondern Geist und Geist setzen da einander Grenzen im Kampf, und im Schmusen. All diese alten Dämonen, die stillen, die wilden, die kämpferischen, die humorvollen. Aber eben nicht förmlich, sondern in abstrakt-überhöhter Gestalt, wie Damke sie sah. Das errate einer, das fühle jemand, da fahre einer mit, auf solchem Vehikel. Gerold Paul
„Gemälde aus 30 Jahren“ von Bernd Damke noch bis 28. September, mittwochs bis sonntags, 13 bis 18 Uhr, im Waschhaus-Kunstraum in der Schiffbauergasse.
Gerold Paul
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