Kultur: Die Leiden des Theatermachers Nickel Michael Klemms zweiter Roman „Die Hofnarren“
In München war er mit seinem Theater-Projekt an einer Frau gescheitert. Sie bootete ihn aus, er floh in die Toskana, ins Kloster.
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In München war er mit seinem Theater-Projekt an einer Frau gescheitert. Sie bootete ihn aus, er floh in die Toskana, ins Kloster. Von dort zurück in die Heimat, Landshut diesmal, wollte Nickel erneut eine eigene Bühne gründen. Er brachte Stadtfürsten und Stadtpresse hinter sich, sammelte ein Ensemble, holte seine Geliebte Kalinka und deren Boxerhund Jimmy nach, und los ging’s mit allem erdenklichen Elan. Das war 1989. Die Truppe wollte gar nicht viel, nur den Leuten mit ihrem Theater Café Molière einen Spiegel vorhalten und sie zum Lachen bringen. Doch aus dem anfangs so erfolgreichen Theaterdonner in der niederbayerischen Provinz wurde eine kommunalpolitische Farce, aus dem Ensemble ein Haufen loser Typen, die sich zuletzt in alle Winde zerstreuten. Und so machte sich auch Nickel wieder davon, um mit seinem Wahlspruch: „Bewege dich vorwärts und raste nie, das Leben ist ein Tollhaus“, irgendwo erneut ein Theater zu gründen.
Nach „Schatten der Seele“ legt der in Potsdam lebende Regisseur, Schauspieler und Autor Michael Klemm nun mit „Die Hofnarren. Theaterdonner in bayrischer Provinz“ (AAVAA Verlag 2012, 11,95 Euro) seinen zweiten Roman vor. Eingangs beteuert ein Ansager im bunten Kostüm die Wahrhaftigkeit dieser Geschichte um den Theaterenthusiasten namens Nickel, welche genauso gut auf der Originalbühne von Monsieur Moliere in Paris hätte spielen können. Enttäuschungen, Bitternisse, etliche Aufbrüche und Neuanfänge, Gastspiele von New York bis nach Siebenbürgen, Liebesaffären und Liebesbetrug, volltrunkene Darsteller auf den Premierenbrettern, kommunalpolitische Intrigen und mutige Zeitungsredaktionen, sogar mehrere Tote hält dieser Band – neben etwas Lyrik und ein paar Kochrezepten – bereit. Vielleicht wird der erfahrene Leser bekannte Gesichter des von Klemm in Werder betriebenen Theaters Comedie Soleil wiederfinden, er begegnet ja auch vielen Stücken, die man später in Potsdam und Werder aufgeführt sah: „Paganini“ und „Leonce und Lena“, „Casanova“ oder „Was Ihr wollt“.
Nickel war ständig im Kampf: Mit Mäzenen und um ihren Pachtzins besorgte Vermieter, bei der Bändigung eines durch und durch chaotischen Ensembles, im Widerstreit mit stärkeren Frauen, dabei stets in Sorge, dass auch der zweite Traum von einem eigenen Theater platzen könnte. Und so kam es dann auch. Sein „System hatte Risse bekommen“, heißt es im Buch. „Die Wahrheit des Menschen ist ein Missverständnis und beruht auf falschen Deutungen. Die Wahrheit des Lebens liegt jenseits allen Begreifens und ist nur mit dem Herzen wirklich fühlbar“, notierte der Protagonist nicht ohne Bitternis.
„Die Hofnarren“ ist die Geschichte einer stetigen, aber nie ganz vollendeten Theatergründung, der Roman aus Nickels ruhlosem Leben ein Stück deutscher Kultur- und Menschengeschichte, ein todernstens Schelmenstück mit hübschen Lyrik-Splittern - Michael Klemms Versuch, als bekennender Hofnarr nach einer Welt zu greifen, die sich ihm immer wieder entzieht. Wie nebenbei lernt man den Theatermacher Klemm etwas genauer kennen, seine Comedie Soleil besser verstehen. Gerold Paul
Gerold Paul
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