Kultur: Die Lichtbildnerin
Sybille Wagner lässt mit Gemälden und Möbeln das Kunsthaus im Ulanenweg erleuchten
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Wer Licht erzeugen kann, gilt als Magier. Sicher, der Mensch hat gelernt, Feuer zu machen und Elektrizität zu nutzen. Aber nur der Himmel besitzt den Zauber, einen Regenbogen in allen Farben des Prismas aufleuchten zu lassen. Es hat etwas von Zauberei, sogar von einer Anmaßung an Göttlichkeit, wie die 1952 in Stuttgart geborene Künstlerin Sybille Wagner es daran setzt, ihre Bilder und Werkstücke zum Leuchten zu bringen. Manch ein Besucher, der nach einer Stromversorgung sucht, die versteckt im Rahmen mündet. Manch einer, der Batterien vermutet. Aber Wagner, deren Ausstellung am Samstag im Kunsthaus eröffnet wurde, gibt ihr strahlendes Geheimnis nicht preis. Es strahlt von Innen.
Wagners meist monochrome Bilder folgen der Farbpalette, die der Regenbogen vorgibt. Ultrablau, Rosa, Orange, Gelb. Wagners Werkstoff, mit dessen technischen Eigenschaften sie sich intensiv beschäftigt, ist das Plexiglas. Dieser glasklare Kunststoff bricht, je nach Einfallswinkel, das Sonnenlicht in die Spektralfarben auf. Diese Fähigkeit nutzt Wagner für ihre Gemälde. An sich schon kräftig ins Neon gehende Farbpigmente sind, hier muss spekuliert werden, in verschiedener Tiefe mal auf der Oberfläche, mal tiefer im Hintergrund auf den Kunststoff aufgetragen. Fällt die Sonne nun auf das Bild, beginnt sie ihre Augentäuschung. Wagners Farbflächen vibrieren, Striche werden zu Figuren, bilden Horizonte, dann öffnet sich ein Raum, Tiefe entsteht.
Das Plexiglas ist auch der Werkstoff, aus dem Wagner ihre „Ho-Ka-Ti“ genannten Möbel baut. „Hocker -Kasten -Tisch“ stehen im Kunsthaus in einer Reihe neben einander auf einem schwarzen Streifen Linoleum. Fällt strahlendes Frühlingslicht durch die großen Fenster hinein, malen sich allerlei bunte geometrische Formen auf den Boden.
Auch hier wirkt Wagners Kunst magisch. Mal leuchtet die Farbe nur an den Kanten, der Rest des Möbels ist klar wie Fensterglas. Mal verändert sich die durchscheinende Farbe, wenn der Betrachter um das Objekt wandelt. Oder, wie bei einem vielleicht als Couchtisch verwendbaren Kasten, spiegeln sich darin liegende Gegenstände in den Seitenwänden, die gleichzeitig auch noch halbtransparent sind. Diese Effekte sind faszinierend, Besucher halten ihre Extremitäten vor das Glas, um neue Farben darauf reflektiert zu sehen.
Der Reiz dieser Einrichtungsobjekte verbirgt sich in ihrer technischen Raffinesse. Wagner hat lange in ihrem Atelier im Elsass mit Plexiglas experimentiert, seine farbige Ausstrahlung wird durch Verschweißen von unterschiedlich dichten Platten, vielleicht auch mit Hilfe von speziellen Folien, erzeugt. Aber diese Kunstwerke geben vielleicht ein wenig zu sehr an mit ihrer Rätselhaftigkeit.
Der Charme dieser Hightech-Kunstwerke ist kalt, ihre Farben, wie auch der Stoff Plexiglas selbst, führen zurück in die Achtziger, in denen nicht genug Möbel aus diesem teuren Plastik hergestellt werden konnten. Würfel, Beistelltische und der große Schreibtisch mit Betonunterfach zeigen vielleicht die gleichen Farben wie ein Regenbogen, seine flüchtige Schönheit vermögen sie nicht einzufangen.
Stärker, weil emotionaler ist Sybille Wagner überall da, wo sie mit Fotografie arbeitet. Manche der großflächigen Gemälde wie die „Rosa Wand“ scheinen fotografische Abbildungen von Reflexionen und Lichteffekten zu sein. Fotografische Hilfsmittel werden genutzt, um Strukturen und Räume zu schaffen. Hier hilft die Transformation des Mediums, aus einem technischen Experiment einen Ausdruck von reflektierender Künstlichkeit zu erzeugen. Wie auch bei der Messerserie, in der Wagner das Foto eines Schneidegeräts mit ihren speziellen Mitteln mit Bedeutung versieht. Dann schwebt die Schneide plötzlich neben einem gelben Schnitt aus Licht. Außer Konkurrenz zu den übrigen Werken hängt das großformatige Foto „Norina Quinte“ im Raum.
Das (unverkäufliche) Seitenporträt ihrer Tochter hat Sybille Wagner vielleicht dort platziert um deutlich zu machen, dass sie vielleicht weit gekommen sein mag, natürliche Lichtwerdung zu kopieren. Klar sei aber auch, dass die größere Anmut immer noch von menschlicher Schönheit repräsentiert wird.
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