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Komplementärfarben sind sein Grundvokabular. Kunst von Bertold Mathes.

©  Miller

Kultur: Die Lust an Gegensätzen

Bertold Mathes Bilder im Inselpavillon

Stand:

Eigentlich malt Bertold Mathes unmögliche Bilder. In kleinen quadratischen Kästchen lässt er vorwiegend schreiende Farbgegensätze aufeinander knallen. Dann legt er ein lacksilbern schimmerndes Raster darüber und stempelt darauf fette braune Punkte. Von Farbharmonie keine Spur. Krasse formale Gegensätze prallen gegeneinander. Irgendein sonstiges Zugeständnis an den Betrachter im Hinblick auf Grafik und Gestaltung ist auch nicht zu erkennen.

„Das sind Boderline Bilder, die jederzeit tief stürzen können“, beschreibt Gerrit Gohlke, der Kurator des Brandenburgischen Kunstverein Potsdam (BKV) die Bilder der aktuellen Ausstellung „Drift“ auf der Freundschaftsinsel. Der Maler sei ein „Grammatikkünstler“, meint Gohlke. Aus einzelnen Bildbestandteilen entstehe zunächst eine Grammatik und dann die zusammenhängende Syntax.

„Die Komplementärfarben sind mein Grundvokabular“, erklärt Mathes. Von diesem Vokabular gehe er aus und baue dann eine Struktur. Ein Prozess setze sich in Gang, in dem langsam das Bild entstehe. Gerade dieser Prozess und die serielle Erprobung bestimmter Komponenten eines Farbgefüges oder -klanges sei ihm wichtig. Letztlich komme das Bild dann im Kopf des Betrachters zur Aufführung. Bei der Aufführung selbst will der Maler den Betrachter allerdings nicht festlegen, schon gar nicht durch ein Thema. Mathes konzentriert sich auf grafische Elemente, kombiniert diese mit frei fließend gehaltenen Strukturen und überlegt, wie er einer einschränkenden Festlegung des Bildgefüges möglichst schnell wieder entkommen kann. Dennoch entstehen im Kopf des Betrachters unwillkürlich gegenständliche Assoziationen. Hinter einer hoch aufgestellten roten Fläche in Form einer Tür, die wie eine Warnung wirkt, öffnet sich ein unruhig strukturierter Farbraum. „Das ist die grüne Hölle“, mutmaßt Gohlke. Die bewegten grünen Pinselschwünge konterkarieren auf dem Bild flugs die angedeutete geometrische Flächenordnung. Eine in die Tiefe fluchtende, graue Fläche schafft aber doch eine illusionistische Räumlichkeit.

Obwohl die Bilder von Mathes zunächst rein abstrakt anmuten, entsteht schnell eine gegenständliche Anmutung. Die Bildtitel geben allerdings keine Hinweise auf den Inhalt. „F12x8“ beschreibt nichts anderes als die Maße des 1 Meter 20 mal 80 Zentimeter großen Bildes, andere Bilder heißen einfach: „o.T.“. Wenn vor einem schwarz-weißen Schachbrettmuster allerdings zwei größere ovale Flächen in den Grundfarben rot und blau stehen und sich ein kleines gelbes Oval dazu gesellt, stellt sich unwillkürlich die Assoziation einer harmonisch geometrischen Kleinfamilie mit Kind ein. Wenn Mathes auf einem anderen Bild dicke, schwarze Punkte über ein Muster legt, das er mit harten Strichen in Grautönen in die Fläche gekratzt hat, so muten diese wie schwarze Löcher an, die science-fiction-like eine Stadt bedrohen. Wichtig ist dem Maler dabei, dass seine Bilder durch den gelegentlich fetten Farbauftrag stellenweise eine fast greifbare Haptik erhalten.

Die Malerei von Mathes bewegt sich in einem malerischen Umfeld, in dem die geometrische Abstraktion nach dem abklingenden narrativen Triumph der „neuen Leipziger Schule“ wieder zu Ehren gelangt. Tanja Rochelmeyer, Torben Gieler, Bernd Ribbeck, Rebecca Michaelis und andere buchstabieren derzeit ein Vokabular neu, mit dem Maler wie Wassily Kandinsky und Piet Mondrian die Abstraktion in der Malerei am Anfang des vergangenen Jahrhunderts entdeckt hatten. Die Konsequenz mit der Mathes mit malerischem Sezierbesteck seine Bildelemente dekliniert, ist allerdings einzigartig. Richard Rabensaat

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, dem 19. August, von 12 bis 18 Uhr, im Pavillon auf der Freundschaftsinsel zu sehen. Der Eintritt ist frei

Richard Rabensaat

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