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Sie verhelfen sich gegenseitig zum Fliegen: Nica Altenburg, Chris Schwarz, Ruben Wittchow und Dietmar Haupt (v.l.n.r).

© promo

Kultur: Die Mischung macht’s

Poesiepop vom Feinsten: Ruben Wittchow hat seine zweite Platte auf den Weg gebracht

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Wenn Ruben Wittchow von der Vergangenheit spricht, zieht er die Schultern zusammen. Er krümmt den Rücken zu einem Bogen und drückt die Hände eng an die Brust. „Früher war ich mit mir selbst beschäftigt“, sagt Wittchow. Er presst die Worte aus seinem Mund, langsam, Stück für Stück, als würde es ihn quälen. Doch das Früher ist vorbei. „Jetzt kann ich fliegen“, sagt Wittchow, und wie von unsichtbaren Fesseln befreit, streckt er seine Hände in die Luft, immer höher und höher. Er drückt den Rücken durch und lächelt. Jede einzelne Faser des drahtigen Musikers scheint es in die Welt hinausschreien zu wollen: nie wieder Musik ohne Freunde.

Vier Jahre hat es gedauert, bis er die richtigen gefunden hatte. Am kommenden Samstag präsentiert der Wahl-Potsdamer im Bürgerhaus am Schlaatz sein zweites Album mit dem Titel „Bleib, wenn du willst“. Es ist Ruben Wittchows erstes mit kompletter Band. Schlagzeug, Piano, Gitarre und Bass sind besetzt. So hören sich die 13 neuen Lieder des Potsdamer Pop-Poeten mal albern, fröhlich, tief traurig, aber nie langweilig an. Nach Heirat und der Geburt seiner zwei Kinder scheint Wittchow also auch musikalisch dort angekommen, wo er schon lange hinwollte – in einer sicheren Zone, wie er selbst sagt.

„Eine Band, das war schon immer mein Traum“, sagt Wittchow. Das Debütalbum „Weites Land“ brachte er im Jahr 2008 noch allein mit Pianist Dietmar Haupt auf den Weg. Jetzt haben sich Nica Altenburg am Schlagzeug und Chris Schwarz am Bass zu Rubens Poesiepop gesellt.

Eher zufällig fanden die vier Mittdreißiger vor anderthalb Jahren zusammen. Chris Schwarz wunderte sich auf einem Konzert, warum Ruben Wittchow ohne Bassist auftrat, er sprach ihn an und war kurzerhand in der Band. Sängerin Nica Altenburg hatte bis vor anderthalb Jahren nicht einmal Schlagzeug gespielt. Wittchow zwang die Percussionistin zu ihrem Glück, als sie sich ein Kabel von ihm ausleihen wollte. Auf dem neuen Album sind die beiden Neuen nicht mehr wegzudenken: der zurückhaltende Chris Schwarz am Bass und die immer lächelnde Nica Altenburg. Sie strahlt eine Gelassenheit hinter ihrem Schlagzeug aus, die fast unheimlich ist. Mit ihrer klaren Stimme bringt die Potsdamerin zudem eine neue, abwechslungsreiche Farbe in Wittchows Lieder. Zu hören ist das unter anderem im Lied „Ego-Schwein“, eines der überraschendsten Stücke auf der Platte.

Zwar bleibt sich Wittchow mit seiner Mischung aus poetischen Balladen, Swing, Reggae und Rock auch bei „Ego-Schwein“ musikalisch treu, textlich geht er in dem Stück jedoch einen Schritt weiter, wird radikaler: „Was kann es Schöneres geben, als mich in diesem Leben, alles für mich ganz allein, ich bin ein echtes Ego-Schwein“, ruft er mit kratziger Stimme in das Mikrofon.

„Wir sind vier Musiker, die sich gegenseitig zum Fliegen verhelfen“, sagt Wittchow. Alle Stücke hat er selbst geschrieben und komponiert. Mal haucht er seine lyrischen Strophen in das Mikrofon, wie im Titellied „Bleib, wenn du willst“. Mal schreit er seine Wut mit ganzer Kraft hinaus in die Welt und fragt: „Kannst du?“ Ähnlich breit ist auch das Spektrum der musikalischen Begleitung. So hüpfen die Gitarrenklänge mal fröhlich neben den Strophen auf und ab oder die Piano-Töne tröpfeln traurig neben der Liebesballade „Wo bist du?“ her. Leider nicht auf der neuen Platte vertreten ist der aus dem Radio bekannte Sommersong „Sommer, Sonne, Meer & Strand“ aus dem Jahr 2011. Zu seicht schien ihm das Stück für seine zweite Platte, sagt Wittchow.

Aufgenommen haben die vier Musiker ihr Album im Kulturhaus Plessa, am südlichsten Zipfel Brandenburgs, 70 Kilometer von Cottbus entfernt. Alte Theater- oder Kulturstätten haben es Wittchow angetan. Für viele Menschen hängen Erinnerungen daran, sagt er: die erste Liebe, ein Kuss, Freundschaften, alte Geschichten – ein perfekter Nährboden für den Poesiepop des Potsdamers.

Auf der Liste der Spielorte der gerade gestarteten „Bleib, wenn du willst -Tour“ stehen deshalb fast ausschließlich solche Kulturhäuser. Damit es dort gemütlich wird, will die Band statt auf der Bühne mitten im Saal spielen – so wie man es von einigen legendären Unplugged-Konzerten des Musiksenders MTV her kennt.

Wie kuschelig das werden kann, ist in den Musikvideos der Band zur neuen Platte zu sehen, aufgenommen im Kulturhaus Plessa, frei verfügbar im Videoportal YouTube. In einem Kreis aus gedämpftem Licht und vor roten Samtvorhängen spielen die Musiker ihre Stücke, schauen sich an, grinsen oder grimmen, wenn mal ein Ton nicht passt. Und mittendrin steht Ruben Wittchow. Sichtlich entspannt bearbeitet er seine Gitarre, singt und lächelt. Der Pop-Poet scheint glücklich gelandet. Wenn man ihn so sieht, zwischen seiner Band, es würde nicht wundern, würde er bald wieder zum nächsten Höhenflug aufbrechen wollen. „Songs für ein weiteres Album haben wir schon zusammen“, sagt er.

Am Samstag, dem 5. Mai, präsentieren „Rubens Poesiepop“ ihr neues Album im Bürgerhaus am Schlaatz, Schilfhof 28. Beginn ist um 20 Uhr, Karten gibt es für 10, ermäßigt 7 Euro. Weitere Infos und Tourdaten unter www.poesiepop.de

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