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Kultur: Die Radieschen von unten

In seiner Ausstellung „Drunter & Trüber“ geht es Jan Beumelburg auch um Wurzelgründiges

Geht es in der großen weiten Welt wirklich „Drunter & Trüber“ zu oder nur in Jan Beumelburgs keckem Künstlerschädel? Konsensverliebte werden eine so gretchenhafte Elementarfrage natürlich sofort mit „beides“ beantworten, aber da sind sie bei Beumelburg gerade richtig. Schlagkräftig und erfindungsreich streut er ihnen ein paar Brocken „Melan-komisches aus seiner Sammlung Enzyklopädie“ vor die Füße, und schon picken sie. Wenn nicht das schon Kunst ist. Dabei hat er stärkere Werke erdacht, als derzeit in Angelika Euchners „a|e-Galerie“ zu sehen sind, wo er bereits das dritte Mal ausstellt. Seine makaber-witzigen Beiträge vor vier Jahren zum Thema „Inkontinenz“ beispielsweise oder die hohe Schule des Porträts, welche er perfekt beherrscht. Er ist ein Entdecker, ein Finder, ein Sammler und Neu-Kombinierer, überzeugt von der universellen Zusammengehörigkeit alles Lebenden und Dinglichen. Und dass das Sichtbare stets nur etwas Dahinterliegendes verdecke. „Kunst schafft Räume“ ist da ein weniger prickelndes Statement als die Erkenntnis von der ungeheuren Kraft eines Fehlers in ihr. Gern sagt Beumelburg von sich, er verzettele sich hin und wieder. Sollte das in dieser Ausstellung mit dem Titel „Drunter & Trüber“ auch der Fall sein? Anders als in seinem Inkontinenz-Projekt, wo es so richtig ans Eingemachte ging, stehen die 21 Arbeiten der Malerei, des gestalteten Fotos und der Plastik/Skulptur hier für sich, ohne bündelndes Thema. Das kann nur gut sein, so sieht man eher, was nur Bild ist und was der Kunst nacheilen will.

Und tatsächlich, wo der Künstler zum Beispiel „Nasse Nässe“ aufhängt, dem Pudelfoto von außen her eine rote Nase verpasst oder dem historischen Familienfoto gar Baumschwamm ans Schauglas heftet, kommt er über den witzigen Einfall nicht hinaus. „Melan-komisch“ hin, enzyklopädisch her, wie er seine universale Bild- und Materialsammlung letztlich nennt. Das Komplement zum Geiste fehlt, die Sachen sind etwas zu flink gemacht und nicht wirklich vollendet, allen Therorien und Statements zum Trotz. Oder mit Heiner Müller gesprochen: Es kann sein, dass man selbst dieser Fehler ist. Jan Beumelburgs Anspruch ist ja nicht ohne: Werke wie „Radieschen von unten“ oder das Bild von der karottigen Quadratwurzel zeigen, dass es ihm um Wurzelgründiges geht, um Tiefe. Außerdem drängte es ihn, nach der vielen Objektkunst, auch mal wieder zum größerformatigen Bild.

Da er in seinem Atelier alias „Verwandlungsamt/Amt für Kunst und Wandel“ in ziemlicher Freiheit lebt, kann er es sich quasi amtlich leisten, Gurke und Aubergine mit Raketenflügeln auf „Exkursionsflora“ zu schicken. Oder Dürers „Händen“ eine neuzeitliche Maniküre-Kur zu verordnen. Statt Jesus schickt er eine besserwisserische Banane nach Golgatha und die Madonna bekommt einen Propeller auf den Scheitel montiert, damit sie besser abheben kann. Auch Urgroßvater Saturn bleibt nicht der, der er immer war. Seinen stolzen Ring ersetzt Amtmann Beumelburg durch eine krause Kuchenserviette, wegen der Melancholia, wofür der Gigant ja steht. Solch ein „Drunter & Trüber“ aus pointierten Effekten braucht natürlich den Glauben, das ist gewiss. Aber gemach, der Künstler ist sich ja der Vergänglichkeit bewusst, wie die Fotoserie „Letzte Worte“ beweist: Irgendwann spült die Gischt sowieso alle Werke davon. An seinen „Enzyklopädischen Zeichnungen“, einem Nebeneinander diverser Motive und Themen, hat es schon das Feuer getan, und Löcher ins Silikonpapier gefressen.

Wurzeltief, also radikal im Wortsinn, ist dieses kosmisch-alltägliche Panoptikum sicher nicht, ein Radieschen ist einfach zu wenig. Eher eine Melange aus Karikatur und Kabarett-Pointe. Nicht wenig, aber auch nicht zu viel. Gerold Paul

Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Oktober, mittwochs, donnerstags und freitags, 15-19 Uhr, samstags, 12-16 Uhr, in der Hermann-Elflein-Straße 18 zu sehen.

Gerold Paul

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