Kultur: Die Regie hat verpennt
Der „Regentrude“ im T-Werk fehlte es an Esprit
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Wenn die Arbeit der Naturgewalten von den Menschen nicht mehr gewürdigt wird, funktionieren sie irgendwann nicht mehr. Die Regentrude, verantwortlich für das, was ihr Name enthält, soll deshalb sogar eines Tages gar eingeschlafen sein. Was war die Folge? Der Feuergeist bekam die Oberhand, er wütete in Feldern und Wäldern, bis alles dörrte und starb. Dergestalt erzählte es Theodor Storm in seinem gleichnamigen Märchen von 1863.
So ähnlich wird es auch die Theatergruppe Nadi im T-Werk verstanden haben wollen, Storms Mär vom Schlaf der Regentrude und wie eine Jungfrau sie wieder erweckt. Das Problem dieser fast einstündigen Inszenierung für die ziemlich Kleinen (ab fünf Jahren) ist weniger der Mangel an Jungfrauen, eher das Verständnis der Textvorlage, die Rollenauffassung der drei Figuren, letztlich die Zielsetzung dieses Opus – also das, was man getrost nach Hause tragen darf. Theodor Storm verbindet die Geschichte vom eingeschlafenen Naturgeist mit der Liebesgeschichte zwischen Maren und Andrees, die nach dem Willen des geldgierigen Wiesenbauern nur dann zueinanderkommen dürfen, wenn es gelingt, die Regentrude binnen vierundzwanzig Stunden zu erwecken. Woran natürlich keiner glaubt.
Am Sonntag war Premiere, proppenvoll der Saal. Nora Raetsch, Noriko Seki und Steffen Findeisen erzählen Storms Geschichte nicht nur mit ihren Figuren und den für die Gruppe Nadi typischen Masken, sondern auch mit wechselnder Rollenverteilung. Das Feuergespenst tobt im kargen Bühnenbild ganz ungeheuer. Was es berührt, das brennt, zumindest symbolisch. Eine Chance hat es trotzdem nicht, denn tapfer und geradlinig schreitet die Jungfer voran. Trude wird zwar erweckt, doch wider jede Erwartung bleibt sie stumm, und ganz merkwürdig starr. Ein bisschen Freude über diese Erweckung hätte doch sein können, oder? Auch andere Figuren wie Stine sind in ihrer Aussage völlig unterbelichtet.
Kurz: Wo die drei Darsteller Rollen von Menschen übernehmen, hätten sie auch dramatisch geführt werden müssen, das wurde von der Regie schlechtweg verpennt. Doch gemach, auch nach der Premiere ist Erweckung noch möglich: Zuerst muss doch mal die Grundsituation verdeutlicht werden, also die existenzielle Gefahr des kollektiven Verdurstens, die Bedingung des Wiesenbauern und vor allem das vorgegebene Zeitfenster. Da kann man nicht so gemütlich hintippeln, da muss man stolpern, eilen. Die galoppierende Zeit wurde hier total ignoriert. Und hätten es die beiden Protagonisten nicht verdient, als echte Helden gefeiert zu werden, als der Regen zurückkam?
Leider war man zu sehr mit wehenden Tüchern, klappernden Eimern und anderen Äußerlichkeiten beschäftigt, die zwar hübsch, aber nicht alles sein dürfen. Für knapp eine Aufführungsstunde passiert da einfach zu wenig, das Spiel läuft zu linear, zu träge, Storms Geschichte wird nicht stringent genug erzählt – trotz guten Einsatzes der drei Spieler, die von Menschendarstellern mehrfach in Puppenrollen schlüpfen. An die „Wilde Jagd“ vom Vorjahr reicht diese Inszenierung nicht heran, aber es kann ja noch werden. Aufgewacht also! Gerold Paul
Gerold Paul
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