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Kultur: Die Reisebegleiterin

Heather Greene in der Reihe „The Voice in concert“ im Nikolaisaal

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Auch wenn er mittlerweile arg abgedroschen ist, der Vergleich mit einer Autofahrt, bei Heather Greenes Musik passt er perfekt. Am Freitag war Heather Greene im Foyer des Nikolaisaals zu Gast, in der Reihe „The Voice in concert“. Und es hat wohl kaum jemanden überrascht, dass jeder Stuhl besetzt war. Ausverkaufte Konzerte in der „The Voice“-Reihe sind mittlerweile der Normalzustand. Nach dem Auftritt der New Yorker Sängerin wird sich das wohl auch so bald nicht ändern.

„Five Dollar Dress“ heißt ihr im vergangenen Jahr erschienenes Debütalbum. Ruhige Lieder einer nachdenklichen Frau, balancierend zwischen Melancholie und uneingeschränkter Lebenslust. „Five Dollar Dress“ ist auch gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung über das Dasein ohne viel Geld. Darüber, dass ein billiges Kleid nicht zwangsläufig schäbig aussehen muss. Es hängt immer davon ab, wie es getragen wird.

Heather Greene hat die elf Lieder auf „Five Dollar Dress“ auch geschrieben, als sie durch Amerika reiste und in kleinen Clubs spielte. Mit dem eigenen Auto war sie unterwegs, nur ihr Wurlitzer-Piano dabei. Ihre Heimatstadt New York, wo sie längst als Geheimtipp galt, verließ sie, um ihr Glück außerhalb zu versuchen. Damals träumte sie davon, mit ihren Liedern eines Tages auch durch die Welt reisen zu können und war zufrieden, wenn am Monatsende das Geld noch reichte. Bei einem dieser Auftritte in Seattle wurde sie vom bekannten Produzenten Tucker Martine entdeckt. Jetzt sammelt sie Lieder für ein zweites Album und ist in Europa und Asien aufgetreten. Nur mit dem Geld am Monatsende, wie sie am Freitag dem Publikum verriet, da bestehe noch Verbesserungsbedarf. Bei ihrer Musik ist das kaum der Fall.

Bescheiden begannen die Lieder der Heather Greene. Ein Akkord oder ein paar Töne nur auf ihrer Wurlitzer-Piano, manchmal übernahm auch Gitarrist Ron Spielmann diese sparsamen Einleitungen, und schon war die Stimme da. Fast selbstverständlich, wie vertraut, klang sie durch das Foyer. Schlicht und schön. Eine Stimme, die alles wie von allein machte. Die keine großen Gesten oder schweren, überladenen Melodien brauchte. Die ihre Geschichten oft erzählte, als wären sie gerade erst passiert. Und so erlebte man die Überraschungen, Verwunderung und das stille Glück der Heather Greene ganz unmittelbar. Ganz unverfälscht und ehrlich, wenn man das so sagen kann.

Mancher Kritiker hat Heather Greene mit Joni Mitchell und Tori Amos verglichen, doch wenn ein Vergleich schon sein soll, dann erscheint der mit Norah Jones am treffendsten. Denn nicht nur gesanglich, auch musikalisch sind sich die beiden sehr nahe.

Da ist viel Folk und Pop bei Heather Greene, angereichert mit Jazz. Mal reiste am Freitag der Blues ein kurzes Stück mit, dann der Bossa. Oft saß man und die Musik zog an einem vorbei, wie die Landschaft bei einer ruhigen Autofahrt. Und nur wenn man genau hinschaute, in diesem Fall hinhörte, entdeckte man immer wieder Neues, die feinen Eigenheiten dieser musikalischen Landschaft. Egal ob es dabei nun regnete oder doch wieder die Sonne schien. Mal war es einfach nur der Gesang von Heather Greene, der sich fast beiläufig gegen die Harmonien legte wie bei „Just what I needed“. Dann war es Björn Warra am Bass oder Michael Kersting am Schlagzeug, die für einen neuen Hintergrund sorgten oder Ron Spielmann an der Gitarre, der für einen kleinen Abstecher sorgte. Über allem aber lag die Stimme von Heather Greene, eine Reisebegleiterin, wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Unaufdringlich aber mit einer angenehmen Bestimmtheit zeigte sie, dass auch einfache Landschaften ihre ganz besonderen Seiten haben.

Dirk Becker

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