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Kultur: Die Sache mit dem Eisei
Das Amai-Figurentheater mit „Onnanoko Sora und das Eisei“ im T-Werk
Stand:
Die Frage nach dem Primat von Huhn oder Ei zu stellen, ist Philistersache. Viel mehr interessierte bei der zweiten Kindertheater-Premiere innerhalb einer Woche im T-Werk die Frage, wer um alles in der Welt diese Onnanoko Sora ist, um die es in der Einpersonen-Produktion des Berliner Amai-Figurentheaters ja ging. Angekündigt war ein 45-minütiges Materialtheaterstück vom Werden und Vergehen für Kinder ab vier Jahren, die ja wohl erst mal noch kräftig werden wollen, bevor sie viel später vergehen. Dievon den Schöpfungsmythen, egal ob aus Japan oder aus dem europäischen Raum, kaum einen blassen Schimmer haben können. Wenn die in vielen Bühnenfächern ausgebildete Darstellerin Ulrike Kley also an die Gestaltung eines so komplexen Mythos aus Japan geht, darin sich gleichsam alles ums liebe Ei dreht, wäre zuerst die Frage zu klären, wie voraussetzunglos dies geschehen soll. Kann sich ein solches Werk nicht selbst erklären und behaupten, so war es vergeblich getan.
„Onnanoko Sora und das Eisei“ hat es versucht. Darin geht es nicht gerade um Kleinigkeiten, sondern um die Erschaffung von Leben aus dem Widerspiel von Hitze und Kälte, genau wie in den nordischen Mythen Europas. So etwas will zuerst einmal verstanden sein, damit es überhaupt darstellbar wird. Weil die Regie (Kristina Feix) da wohl nicht so ganz durchsah, tat es Ulrike Kley auch nicht, obwohl mit Taichi Kanayama (Musik, ganz hervorragend) ein echter Japaner dabei war. Gespielt wurde auf einer Off-Bühne, an den Ecken vier Ventilatoren, welche die vier Winde darstellen sollten. Auf einer Kiste, von glitzernden Folien umhüllt, jene Onnanoko Sora, die kein bisschen erklärt oder szenisch eingeführt wird. Sie huppelt wie ein Huhn, gackert, legt Eier, denen ein Saurier entwächst, später zieht sie einen Kreis, den sie mit Sand und Eiern blauen Inhalts zu einer Erde baut. Zuletzt, um das abzukürzen, wird sie zum Weißkopf-Adler, wieder so ein Eierleger. Seltsam, sehr seltsam das alles.
Wer also ist diese stumme Figur, die herumwatschelt und an Eis-Eiern nagt? Anders als im Titel spielten diese Dinger hier keine tragende Rolle, auch wenn ein winziges Menschenpaar darin steckt. Viel Mühe mit viel Material, bis es auf der Bühne aussieht wie nah beim Komposthaufen. Der Versuch, alles in großen Bildern zu zeigen. Improvisation statt begründeter Handlungen. Steht denn im Programmheft nicht, ohne Onnanoko Sora „wäre die Welt kalt und ohne Leben geblieben“? Das hätte man von den Gästen aus Berlin sehen wollen, die Inszenierung ist ja nicht nur für Vierjährige, sondern für „4+“ gedacht. Warum konnte man das nicht mit den Kindern gemeinsam erarbeiten, etwa mit einem „Wisst ihr, wer ich bin“ als Start? Dann hätten alle etwas davon gehabt. So blieb das optisch Attraktive letztlich arm im Geiste. Dabei ist das Thema gewaltig. Jeder weiß, dass alles aus dem Ei kommt, auch ein Kind, das in die Froschmaskenszene hineinrief „Auch Frösche legen Eier!“
Hier wurde ein schönes Thema auf ganz hilflose Art behandelt. Wer Mythisches fassen will, muss auch mythologisch zu denken verstehen, sonst wird das nichts. Entsprechend hielt sich der Premierenbeifall am Sonntag deutlich in Grenzen. Die Bühne ist ehrlich, sie sagt immer die Wahrheit! Gerold Paul
Wieder am heutigen Dienstag, 10 Uhr, im T-Werk in der Schiffbauergasse
Gerold Paul
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