Kultur: Die Schlange als Halsschmuck
Günther Jahn zeigt seine fantasievollen Bilder im Alten Rathaus
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„Queen Mum“ kommt ein bisschen verschwommen daher, sie trägt die rote Dreizackkrone schief auf dem abgerundeten Kopf, aus dem eigentlich der gesamte Körper besteht. Nur ein Auge glotzt rot, der Mund zeigt drei gerade Striche ohne jegliches Lächeln und das Gesicht endet direkt im Rocksaum. Müde lehnen sich zwei zepterartige Gebilde aus Kugeln und Zapfen an diesen Großkopf, als haben sie schon zuviel geherrscht. Darüber links eine umgedrehte Mondsichel, auf der rechten Seite ein Kreuz.
Das ist ein Bild von Günther Jahn, einem Künstler aus Thüringen. Das Alte Rathaus eröffnet mit einer Werkschau nun die Möglichkeit, einen interessanten, oft mit kindlicher Leichtigkeit in der Fantasie spazierenden Maler kennen zu lernen. Irgendwie surreal sind die meisten seiner Bilder, sie wirken ruhig und statisch und werfen den Betrachter zunächst in ein geglaubtes Wiedererkennen: Ach ja, der Stier, der mit seinem einen Auge glotzt, als wolle er gleich auf uns losbrausen, reduziert in der Form, drei Rippen wie Strichpunkte aus dem Körper herausragend, bleich vor dunkelrotem Hintergrund – der erinnert doch an Picasso. Oder das Triptychon mit verformter Mandoline und Gitarre an den Seiten und einer Art grinsendem Fischvogel in der Mitte: ist das nicht (fast) genau wie bei Juan Gris?
Aber so leicht lässt Günther Jahn sich nicht in wohlfeile Schubladen stecken, denn im großen Ausstellungsraum kommt er daher, als sei er in der Renaissance zu Besuch gewesen. Immerhin war er in Italien: ganz klein, aber vornehm stehen die beiden Gestalten im unbewegten Gespräch vor den riesenhaften „Häusern in der Toskana“, schmal und hoch ragt das Architekturensemble in die Höhe und endet mit den klitzekleinen Schornsteinen fast im Himmel. Die Stadtlandschaften, die aus einem Märchen stammen könnten, ohne dass dieses kindgerecht verkitscht wäre, strahlen Ruhe aus, Erdfarben, ein wenig Entrückung auch durch sanftes, meist nächtliches Licht aus. Manchmal hängt eine silberne Kugel von einer Wand, die Größenrelationen sind milde verschoben: Die Staffelei vor der Mauer überragt den Bauwagen um etliche Längen, und die Mini-Menschen, die sich davor gesellen, nehmen sich in ihrer Bedeutung sehr zurück. Das ist eine andere, eine Jahn“sche Art der Bedeutungsperspektive, und der Betrachter freut sich über den auf dem Dach balancierenden blauen Mann.
Bei „Adam und Eva“ allerdings sind die Figuren groß: ein bisschen doof wirkt Adam, der hinter Eva steht und so tut, als ob er sie beschützt. Seine Haare wachsen ihm aus dem Kopf, so, als wollten sie Hörner werden. Eva mit ihrem arrogant verschlossenen Gesicht und dem platten schwarzen Hütchen über dem langen Haar hält nonchalant den Apfel nach hinten und eine rote Schale vor das Geschlecht. Sie ist sich ihres hell leuchtenden Körper sehr bewusst und trägt die rote Schlange als züngelnde Kette um den Hals. Eva gibt hier bei vollem Bewusstsein das Paradies preis, während Adam nicht genau weiß, wie ihm geschieht.
Günther Jahn besitzt einen hintergründigen Humor, der, wie hier, in der Ölmalerei manchmal bissig werden kann, aber offenbar liebt er es mehr, heiter, verständig und fantasiereich zu spielen. Seine malerische Welt berührt ganz sonderbar und lädt zu kindlichen Träumereien ein.
In Sondershausen 1938 geboren, kam Günther Jahn als Autodidakt zur Malerei. Er bewarb sich in Weißensee, und erhielt von dort die ungewöhnliche Antwort, dass er sich doch gleich beim Berufsverband der Bildenden Künstler anmelden solle. Das war 1964. Seither arbeitet er an seinem Oeuvre, nicht ohne die Realität als siebenfacher Familienvater aus dem Auge zu verlieren – was ihn zu manchem Brotberuf brachte. Vielleicht aber ist die Erfahrung mit den Kindern auch Quelle seiner Inspiration. Günther Jahn jedenfalls hat sich einen zweiten Blick auf die Wirklichkeit bewahrt, an dem er uns durch seine Bilder teilnehmen lässt.
Bis 23. März, Di-So 10 bis 18 Uhr, Altes Rathaus
Lore Bardens
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