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Kultur: Die Schönheit der Melancholie

Das Hathor Consort mit einem John-Dowland-Programm in der Ovidgalerie

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Die Schwermut scheint John Dowlands Werk gelegentlich doch noch sehr zu überschatten. Der Großmeister der Laute fand für die elisabethanische Attitüde der Melancholie eine wunderbare musikalische Sprache und spielte auch offensichtlich und gut kalkuliert mit den damit verbundenen Erwartungen, wenn er unter seine Kompositionen schrieb: „Jo: dolandi de Lachrimae his own hand“ (Jo: schmerzend von Tränen, von eigener Hand) oder seinen Werken Titel wie „Semper Dowland semper dolens“ (Immer Dowland immer schmerzensreich) gab. Doch Dowlands Musik gehört zu dem Schönsten, was Melancholie sein kann, weil sich hier nicht allein die Schwermut breit macht, sondern immer auch mit einem Licht, einem herrlichen Strahlen verbindet.

Romina Lischka und ihre Musiker des Hathor Consorts hatten für ihr Dowland-Programm am Donnerstag in der Ovidgalerie der Neuen Kammern „Sieben Tränen tanzen“ ein fein durchdachtes Programm erstellt. So waren an diesem Abend neben Kompositionen von Dowland auch Arbeiten seiner Landsmänner William Brade und Thomas Simpson und vom Dänen Melchior Borchgrevinck zu hören. Borchgrevinck, Kapellmeister und Hoforganist am Hofe Christian IV., hatte Dowland, wo dieser sich vergeblich um die Stelle des Hoflautenisten bei Elisabeth I. bewarb, nach Dänemark geholt. Somit war auch die Verbindung zum diesjährigen Thema „Skandinavien“ der Musikfestspiele hergestellt.

Es war ein großer, warmer und getragener Ton, der die Ovidgalerie erfüllte. Die Instrumente des Hathor Consorts harmonisierten in einer so sehr selten zu hörenden Stimmigkeit. Fünf Gamben, die erst im Zusammenspiel ihr Potenzial zu entfalten schienen. Und das mit einem besonderen Gespür für all die Feinheiten. Wie ein ruhiger Atem war das Spiel, aus dem sich immer wieder die einzelnen Instrumente mit ihren Melodiebögen sanft aber bestimmt hervorhoben. Und gerade in „King of Denmark’s Galliard“ ließen die Musiker um Romina Lischka Dowlands Melancholie strahlen. Vor der Pause dann Dowlands bekannte „A Fantasia“ für Laute solo und „Semper Dowland semper dolens“ für Consort. Es hätte ein Höhepunkt des Abends werden können, denn gerade aus diesen beiden Werken lässt sich die Quintessenz von Dowlands Können destillieren: der Glanz, das Strahlende aus der „A Fantasia“ und die Melancholie aus „Semper Dowland semper dolens“. Doch Sofie Vanden Eynde gestaltete „A Fantasia“ als verschattete Innenschau. Gedämpft und ausgebremst, konnte sich hier der Zauber, das hochvirtuose Auf und Ab, dieses selig machende Spiel zwischen Spannung und Entspannung nicht entfalten.

Nach der Pause Dowlands bekannter Zyklus von sieben Pavanen „Lachrimae or seven Tears“. Und was hier zu hören war, kann nur als Geschenk bezeichnet werden. Ein so selbstverständliches und feines Zusammenspiel der Gamben, in das Sofie Vanden Eynde mit ihrer Laute perlend-leuchtende Akzente setzte. Nicht ein Ton von Schwermut, kein Zusammensinken in depressiver Trauer, sondern immer die Ahnung von etwas Besonderem. Offensichtlicher Genuss bei den Musikern, der dem Zuhörer das Herz öffnen konnte. Draußen tobten Wind und ein Blitzspektakel, drinnen spielte das Hathor Consort. Schöner kann Melancholie nicht klingen, schöner kann kaum ein Abend sein. Dirk Becker

Dirk Becker

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