Kultur: Die Schule als Insel
Feier zum 50-jährigen Bestehen der Hochschule für Film und Fernsehen mit fast 2000 Gästen
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Feier zum 50-jährigen Bestehen der Hochschule für Film und Fernsehen mit fast 2000 Gästen „Oh Konrad Wolf, komm vom Himmel herab, lass mich nicht allein, denn ohne dich schaff ich es nicht !“ sang der Studentenchor im Jubiläumsfilm der Hochschule für Film und Fernsehen. Aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens richtete die älteste Filmhochschule Deutschlands eine opulente Feier aus „im Spannungsfeld von Tradition und Moderne“, wie Präsident Dieter Wiedemann zur Begrüßung formulierte. Wer von den fast 2000 geladenen Gästen nicht in die Caligarihalle auf dem Filmpark passte, der konnte sich das bunte Programm im modernen Mikado-Haus der Hochschule auf der Leinwand anschauen. Was nicht unbedingt ein Nachteil war, denn dort konnte manch frugalen Genüssen schon gefrönt werden, während die hohen Gäste in der Halle noch warten mussten, bis die letzten Danksagungen und Glückwünsche bekundet wurden. Ehemalige Rektoren der HFF waren erschienen: der dreiundneunzigjährige Nestor des DEFA-Films und Gründungsrektor Kurt Maetzig, Peter Ulbrich und Lothar Bisky. Mehr als zweieinhalb Stunden zog sich ein Potpourri aus Film und Musik, Gesang, Schauspiel, Sketch und Reden dahin - in einer kompakten Mischung aus Wohlfühlprogramm, Wir-sind-wer-Werbung und wohlmeinenden Würdigungen. Wohl dem, der dabei einen Sitzplatz hatte, also etwa die Hälfte der Gäste. Passend zum Ort wurde die Feier mit einem Film eröffnet. Rolf Sakulowskis „Hamlet ff“ eilte auf heitere Art durch ein halbes Jahrhundert Filmhochschul-Geschichte und beschwor dabei vor allem eines, die „Bratpfanne“, Kneipe und Treffpunkt der Filmstudenten, eine Enklave des freien Austauschs von Meinungen und Zuneigungen. Ungewöhnlich genug war schon der harmlos-heimelige Name - ein Antidot zum Agitprop der allgegenwärtigen Partei. So legendär wie die „Bratpfanne“ inzwischen sein mag, scheute man zum Jubiläum weder Kosten noch Mühe für ihren originalgetreuen Wiederaufbau, sogar mit dem halbrunden Originaltresen. Es galt schon immer als etwas Besonderes, an der Filmhochschule in Babelsberg studieren zu dürfen, mitten im Grenzgebiet, wo die Vopos direkt neben den Filmstudenten ihren Dienst taten und ein Wachturm im Garten einer der Hochschul-Villen stand. Das teuerste Studium war es schon zu DDR-Zeiten, wenn auch damals die technische Ausstattung sehr dürftig war, wie Peter Ulbrich, Rektor in den siebziger Jahren, im Gespräch mit den PNN erzählt. „Die Schule war eine Insel, an der vieles anders verlief als draußen“, sagt Peter Ulbrich, in dessen Amtszeit die Babelsberger Hochschule zunehmend internationale Anerkennung erfuhr. „Wir waren kein Massenbetrieb und kannten unseren Ermessensspielraum.“ Wie außergewöhnlich die HFF war, erfuhr auch Wilhelm Domke-Schulz, der dort 1988 sein Film-und Fernsehwissenschaft-Studium abschloss und heute ein erfolgreicher Film- und Fernsehproduzent ist. „Dass man frei reden konnte, hatte ich vorher noch nie erlebt“, sagt Domke-Schulz, der zuvor eine praktische Lehre und ein Fachhochschulstudium absolviert hatte. „Man traf dort Leute, die sich über gesellschaftliche Probleme auseinander setzten, nicht im Sinne der Parteilinie, sondern ihnen lag der Mensch, seine Wahrheit und Authentizität, am Herzen.“ Doch nicht jedem ist die innere Freiheit, der Mut und die künstlerische Kraft gegeben, neue Wege nicht nur zu denken, sondern auch gleich einzuschlagen. Von den vielen erfolgreichen Absolventen der Hochschule für Film und Fernsehen sticht einer wohl am meisten heraus, der Regisseur und zweimalige Berlinale-Gewinner Andreas Dresen, der von seinem früheren Kommilitonen Domke-Schulz auch „der letzte übrig gebliebene Idealist“ genannt wird. Kulturstaatsministerin Christina Weiß blieb es vorbehalten, an den Namensgeber der Filmhochschule zu erinnern. Sie zitierte aus dem in Ost und West gleichermaßen erfolgreichen Film „Solo Sunny“ (1979) von Konrad Wolf und mahnte die Tugend der Widerständigkeit an, in der die Studenten zu DDR-Zeiten in der permanenten Grenzerfahrung herangewachsen seien. „Zu sehen, wo andere wegsehen, zu hören, wo andere weghören“ sei die Chance für Filmemacher von heute im „Nahkampf mit Reality TV“. Ob das eine Lösung sein kann, um dem Kampf um Quoten und Gewinne in der Filmwirtschaft zu begegnen, sei dahingestellt. Gut gemeint und pädagogisch wertvoll war es zweifellos - zu guter Letzt kann dann vielleicht noch eine Inspiration durch Konrad Wolf helfen. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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