Kultur: „Die Schule des Sehens“
Der Fotograf Peter Frenkel über sein Olympia-Gold und seine Sehnsucht nach der Ferne
Stand:
Herr Frenkel, kontrastierend sind die Kunstwerke, die seit gestrigen Sonntag im Museumshaus „Im güldenen Arm“ zu sehen sind. Der Stahnsdorfer Künstler Egon Wrobel zeigt seine farbenprächtigen und fantasievollen keramischen Schöpfungen, und Sie, Herr Frenkel, grafisch gedachte und wie Radierungen wirkende, feinsinnige Arbeiten, die zunächst mit dem Fotoapparat aufgenommen wurden und dann am Computer eine digitale Bearbeitung erfuhren. Die Ausstellung nennt sich „Ganz nah – ganz fern, ganz fern – ganz nah“. Mit dem Titel verbindet man Erinnerungen, Sehnsüchte.
Sehnsucht nach der Ferne hatte ich mein ganzes Leben lang, die Welt erkunden, fremde Menschen treffen. Meine Kindheit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt von Verzicht auf vieles, was junge Menschen heutzutage als ganz selbstverständlich empfinden. Aber wir waren dankbar dafür, dass wir beispielsweise nicht das Schicksal Hunderttausender erlebten, die ihre Heimat verlassen mussten oder ausgebombt wurden. Damals, Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre, gab es auch in unserer Kleinstadt Eckartsberga, zwischen Naumburg und Weimar gelegen, eine Aufbruchsstimmung, bei der wir dachten, dass uns die Welt offensteht.
In einem gewissen Grad stand sie Ihnen als Erwachsener auch zu DDR-Zeiten offen.
Sie meinen die Zeit, in der ich Mitglied des Armeesportclubs Vorwärts Potsdam und Olympiateilnehmer im Gehen war. Sicherlich, ich konnte zu internationalen sportlichen Wettkämpfen auch in den Westen reisen. Aber es war immer eine kontrollierte Öffnung, die immer ihre Grenzen hatte. Nur selten hatten wir Zeit, die Schönheiten sowie die Eigenarten der Länder mit ihren Menschen und ihrer Kultur näher kennenzulernen. Das Trainingsprogramm war hart. Aber wenn es möglich war, dann habe ich es mit großer Intensität getan.
Sie wurden, Herr Frenkel, bei den Olympischen Spielen 1968 Zehnter, vier Jahre später in München errangen Sie dann die Goldmedaille. 1976 wurden Sie in Montréal Dritter. Hochleistungssportler zu sein wird einem nicht gerade in die Wiege gelegt. Gab es schon in Ihrer Kindheit Hinweise für ausgeprägte sportliche Ambitionen?
Es soll so gewesen sein. Ich bin vor allem meinen Lehrern in der Grund- und auch in der Oberschule dankbar, dass Sie mich frühzeitig zum Sport und dann zur künstlerischen Kreativität lenkten. Ich erinnere mich gern an den Neulehrer Hans Leder in Eckartsberga, der ja als junger Mensch noch selbst Lernender war. Er hat mich und viele meiner Mitschüler mit seiner unkonventionellen und fröhlichen Art begeistert. Er war es, der mir mit dem Sport die Augen öffnete, über meine thüringische Idylle hinauszuschauen, um meinen Traum von Olympia zu erfüllen. Viele Jahre später habe ich ihn in Afrika, am Kilimandscharo, wiedergetroffen, als ich mich auf die Olympischen Spiele 1972 vorbereitete. Die Freude war sehr groß. Auch meinem (Alt-) Lehrer Hans Moes bin ich sehr dankbar, denn er hat meine andere Leidenschaft, die Beschäftigung mit der Kunst, behutsam gefördert.
Nach der Oberschulzeit musste aber eine Entscheidung fallen: Sport oder Kunst.
Beides muss man mit großer Ernsthaftigkeit, Leidenschaft und Intensität tun. Ich wusste: Ein wenig von hier und ein wenig von da kann nicht infrage kommen, wenn ich Erfolg haben will. Ich habe dann natürlich als junger Mensch dem Sport den Vorzug gegeben. Der bot mir ja mit den Jahren auch die Möglichkeit, bei Reisen und Aufenthalten in anderen Ländern Grundlagen für meine künstlerischen Ambitionen zu legen. Sie waren eine Schule des Sehens, des Verstehens.
Sie haben sich, Herr Frenkel, für die Fotografie entschieden. Tiefer in unsere Welt zu blicken und sie interpretieren, das war Ihr Wunsch. Sie nahmen dann ein Fernstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig auf.
An der Leipziger Hochschule habe ich mir die theoretischen Grundlagen und Kenntnisse angeeignet, die ich nach der sportlichen Karriere brauchte, um auch im Leben nach dem Sport bestehen zu können.
Sie, Herr Frenkel, gehören längst zu den bekanntesten Fotografen unserer Stadt und darüber hinaus. Ausstellungen zeugen davon, dass Ihre Bilder Emotionen und Assoziationen hervorrufen. Auch die eher stillen Landschaftsbilder aus der Toscana, von Fuerteventura und dem heimischen Potsdam, die sie nun im Museumshaus „Im güldenen Arm“ zeigen, zeugen von Ihrer Sensibilität, wie Sie die Welt ringsum erleben.
Wenn ich heute unterwegs bin, fasziniert mich immer noch das Fremde, das Geheimnisvolle, aber ich liebe mein Brandenburg, das zu meinem Lebensthema geworden ist. Hier finde ich Erfüllung, Ruhe, Glück.
Am 31. August dieses Jahres ist es genau 40 Jahre her, dass Sie in München olympisches Gold errangen.
Ja, und der Zufall will es, dass dieser Tag in den Zeitraum der aktuellen Ausstellung fällt. Mit ihr will ich daran erinnern, dass es der Sport war, der in mir die Sehnsucht nach der Ferne entfachte. Doch mit den Jahren wurde die Sehnsucht zur Nähe, nach meinem Zuhause immer stärker Das Gespräch führte Klaus Büstrin
Ausstellung mit Werken von Peter Frenkel und Egon Wrobel „Im Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Straße 3, bis 9. September, Mi-So 12 bis 18 Uhr
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