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Kultur: Die Schweizer sind gekommen!

„Que sera“ – Ausstellung von drei Luzerner Künstlerinnen im FH-Schaufester

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Luzern ist eine der Partnerstädte Potsdams, und besitzt aufgrund des Wasserreichtums große Ähnlichkeit mit der märkischen Stadt. Aber dann ragen erstaunlich hohe Berge aus der Landschaft, und schon sind die Luzerner ganz andere Menschen als die Potsdamer. Nicht nur, dass sie anders reden, sie sind vor allem großzügig und schenken Potsdam eine Ausstellung, bei der sich unsere Stadt nur „mit Manpower und Ideen“ beteiligte, wie die Verantwortliche des Fachbereichs Kultur und Museum Brigitte Seemann euphemistisch das kulturelle Finanzloch umschrieb.

„Que sera“, so heißt die Ausstellung, deren Kurator Felix Schenker allein die Graffitis an der FH-Schaufensterscheibe in der Friedrich-Ebert-Straße hat wegwischen müssen, und vielleicht klingt darin schon ein leiser Abschied an eine Partnerschaft an, die von der gastgebenden Stadt eher interesse- und vor allem hilflos so gesteuert wird, dass das Schiff schon mal im seichten Wasser hängen bleibt. Gastfreundschaft kann offensichtlich von hier aus nicht als Signal in die weite Welt dringen, dazu sind unsere Horizonte immer noch von dicken Brettern begrenzt.

Aber nun besteht im Schaufenster der fachhochschule (FH) die Möglichkeit eines Durchgucks in eine andere Welt und deren ästhetische Ansätze. Das heißt, hierzu gehört auch die Freundlichkeit, einen hiesigen Künstler in die schweizerische Schau zu integrieren. So bewachen nun die auf Barken stakenden afrikanischen Holzfiguren oder Langstieldolche von Chris Hinze die Arbeiten der Gäste und bergen sie in einem Gefühl der Sicherheit. Diese benötigen die fragilen Bleistiftzeichnungen von Irène Wydler möglicherweise, aber in der Fragilität liegen ja oft eine Stärke und Kraft, die man erst auf den zweiten Blick erkennt. Wie sehr die 1943 geborene Grafikerin vom Bleistift geprägt wurde, erzählte sie auf ihre Art in dem Film von Felix Schenker, der bei der Eröffnung gezeigt wurde und der auch weiterhin während der Öffnungszeiten zu sehen ist: „Ich habe hier eine Narbe“, sagt die blonde Frau in dem behäbigen, schweizerisch eingefärbten Deutsch, lächelnd auf ihre rechte Wange deutend. Ihr Vater habe immer sehr spitze Bleistifte gehabt, und ehe sie sich''s versah, war sie in einen hineingefallen. Diese innige Vereinigung hat die Künstlerin nachhaltig beeinflusst, so dass sie auch Jahrzehnte später dem spitzen Ding ihre Referenz erweist, indem sie es virtuos nutzt. Zwar sehen die großformatigen Blätter, die einfach an die Wand geheftet sind, zunächst einmal zurückhaltend aus. Dann aber verursacht der Wirbel der schwungvollen Bleistiftstriche eine nachhaltige innere Bewegung im Betrachter, der sich mehr und mehr in diese bescheidene Stärke einbezogen fühlt. Sympathisch an der Ausstellung ist auch, dass drei Frauen dreier Generationen und mit ganz unterschiedlichen Arbeitsweisen vorgestellt werden. Nicht nur an dem Luzerner Kunstpreis, den Irène Wydler für ihr herausragendes zeichnerisches Werk erhalten hat, kann sich unsere Stadt also ein Beispiel nehmen.

Da gibt es nämlich noch die 93jährige Lisa Meyerlist, die nicht mehr persönlich kommen kann, aber genügend Persönlichkeit besitzt, um einen Teil ihrer Widersprüchlichkeit auch bis nach Potsdam zu tragen. Die reiselustige, sich selbst gerne in den Vordergrund schiebende, in Deutschland geborene „Fotoreporterin“ spricht inzwischen lupenreines Schwyzerdütsch, wie man dem Film, der ebenfalls zu sehen ist, entnehmen kann. Sie hat schon mit Karajan geflirtet, da lagen die meisten von uns entweder noch in den Windeln oder noch gar nicht in Reichweite, und sie schwört, dass auch ihm, dem großen Dirigenten, ganz schummrig geworden sei ob ihrer Gegenwart. Vieles allerdings habe Meyerlist selber erfunden, sagen die, die mit ihr den großen Katalog erarbeiteten und wie Pirmin Bossart aufgeschrieben haben, was die alte Dame der Schweizer Fotografie zu sagen hatte. Leider versäumt es der Katalog, die Entstehungsjahre der Fotos anzugeben. Dennoch erhält man einen interessanten Einblick in diese Künstlerbiographie. Und Claudia Bucher, das Nesthäkchen der Gruppe, hat sich der Performance verschrieben. Nicht nur sieht 1971 geborene Frau „süß“ aus, sie liebt es, mit dem süßen Zucker zu spielen. Den hat sie sich als Reifrock in Säckchen um die Hüfte gebunden und lässt ihn langsam als schneeweiße Jungfräulichkeit zu Boden rieseln. Und ach, wie kohlrabenschwarz kann jemand werden, der kurz zuvor noch blütenweiß war, das zeigte sie in einer sich wie eine Fernsehshow lang ziehenden Performance, deren Ergebnis, das aus Körperarbeit entstandene Wandbild, weiterhin zu begutachten ist.

Es ist ein eigenwilliger Einblick in drei eigenwillige Künstlerviten, den Luzern uns noch bis zum 30. Mai im Schaufenster der Fachhochschule präsentiert.

Lore Bardens

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