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Kultur: Die seltenen Bisse

Obelisk-Programm zum 20. Wende-Jahr

Stand:

So warm und anhaltend der Applaus nach knapp zwei Stunden auch war, eine Zugabe mochten die drei Stammkabarettisten vom Obelisk am Donnerstagabend nach der 1. Voraufführung ihres neuen Programms „Alles Banane“ dann doch nicht geben. Da sei man abergläubisch. Vielleicht aber auch insgeheim ehrlich? Denn der herzliche Ausklang mochte wohl schon ein wenig über die harmlose, tatsächlich noch unfertig wirkende und bisweilen sogar zahme satirische Kost hinwegtäuschen, die da im schönen Saal des Obelisks an den ersten, gut 30 „lieben Versuchskaninchen“ erprobt worden war.

Immerhin – Bananen wurden nicht verteilt. Und das war sicher überraschender als die Idee der Obelisken, ihrem Programm aus dem vergangenen Jahr, anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Mauerfalls, gleich noch eine Fortsetzung zum Gedenken an zwei Jahrzehnte Deutsche Einheit folgen zu lassen. Glücklicherweise aber lullte diese Vorhersehbarkeit dann niemanden ein, was schon allein die Präsenz einer Gretel Schulze unmöglich machte. Auch ist es anscheinend gar nicht so leicht, obligatorische Einheitswitze zu reißen, gibt es doch lediglich einen, zwar wegweisenden, aber recht sperrigen Honeckerwitz über die Sintflut als Schutz vor der Perestroika, den man sich, wohl nicht von ungefähr, bis zum Schluss aufsparte.

Bis dahin galt es jedoch die wirklich großen Errungenschaften der Deutschen Einheit, wie den verkaufsoffenen Sonntag, zu lobpreisen. Denn die Verblödung der Bevölkerung durch den Konsum und das Fernsehen sei das oberste Staatsziel schlechthin. „Kaufen, Kaufen und nochmals Kaufen!“ Das ließ sich doch prima feiern. Der sächsische Musikus Andreas Zieger und die mit hängenden Mundwinkeln, herrlich linkisch tanzende Bohnenstange Helmut Fensch wussten, wie das geht. Und schon wurde man von Herrn Zieger wieder gern an dröge TV-Quizshows erinnert und von der durch sinnvolle Trainingsmaßnahmen geschulten Wiedervereinigungsberaterin Gretel Schulze auf den langen Weg vom „Stasibüttel zum Schnäppchenjäger“ geschickt oder von Ossi Ostborn mit dem Lied vom „Zoni“ erfreut. Freilich – das Schmunzeln auf den Gesichtern der Gäste brauchte eine Stunde, bis sich allmählich reges Gelächter einstellte, obgleich ja eine durchweg angenehme, geradezu lockere Atmosphäre im Saal lag. Nur blieben eben so manche Heiterkeiten spürbar stecken, wie der ewige Running Gag: Angela Merkel, das „Model aus der Apothekenrundschau“, hinter der sich Kohl und Schröder, zwei andere Einheitsonkel, beinahe verstecken konnten. Tauchten hingegen Westerwelle oder Rösler auf, wurde nicht genug zugebissen, und Obelisken-Spaßkonserven wie die Islamisierung Luckenwaldes schmeckten schon fad und wirkten hilflos überdehnt, zeitweilig gar weitab vom roten „Bananenfaden“. Belebt wurden die moderaten Sketche und putzigen Rollenauftritte dann aber stets von wirklich guten musikalischen Einlagen, die bald immer rascher aufeinander folgten. Festtagsapplaus für die markige Stimme der Gretel Schulze!

Seltsam freundlich also gingen dem Kabarettistentrio im Obelisk die Sticheleien oft über die Lippen. Doch das glücklichste Volk auf Erden, das die besten Sportler, Komasäufer und bald auch wieder Soldaten der Welt hervorbringt, hat viel schärfere Lobgesänge verdient. Damit hätte man gerechnet. Mit so viel Milde nicht. Möglicherweise aber zeigen die Obelisken ihre blitzblanken, satirisch bösen Zähne ja erst ab der Premiere, weit vor den Zugaben. Daniel Flügel

Premiere heute um 19.30 Uhr, Kabarett Obelisk, Charlottenstraße 31, Karten unter Tel. 0331(291069).

Daniel Flügel

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