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Kultur: Die Siebziger sind vorbei Djevara spielten Postrock im Kuze

Postrock ist ein Genre, das gelegentlich so tut, als seien die Zeiten des Rock eine Geschichte aus den Siebzigern und alles, was danach kam, müsse sich irgendwie darauf beziehen – ein schwammiger Begriff also. Dennoch wird auf das Bewährte gesetzt, als gäbe es nichts anderes: Die E-Gitarre wird genauso gespielt wie zu Zeiten des Prä-Postrock, und wer kann schon auf Bass und Schlagzeug verzichten.

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Postrock ist ein Genre, das gelegentlich so tut, als seien die Zeiten des Rock eine Geschichte aus den Siebzigern und alles, was danach kam, müsse sich irgendwie darauf beziehen – ein schwammiger Begriff also. Dennoch wird auf das Bewährte gesetzt, als gäbe es nichts anderes: Die E-Gitarre wird genauso gespielt wie zu Zeiten des Prä-Postrock, und wer kann schon auf Bass und Schlagzeug verzichten.

Aber es funktioniert, wie das Postrock-Konzert am Donnerstagabend im studentischen Kulturzentrum Kuze bewies – und es war gut besucht, was vielleicht auch am freien Eintritt und am Feiertag gelegen haben mag. Der Headliner Djevara aus London war allerdings auch nicht zum ersten Mal im Kuze zu sehen – und das so eine Band schnell Anhänger generiert, ist nicht verwunderlich.

Zunächst gab es die volle Portion Postrock, wie man ihn erwarten konnte – und zwar mit der Berlin-Marzahner Band Turbine Stollprona, die mit der hiesigen Frauenfußball-Mannschaft jedoch weder verwandt noch verschwägert ist. Das Marzahner Experiment konnte sich sehen lassen: Mit zarten Tönen, die jederzeit ausbrechen konnten, wurde man von der Band im Nacken gepackt – das Plätschern der Musik wurde zu einer unhaltbaren Welle, in der man gerade noch so den Kopf über der Gischt halten konnte. Die Musiker schaukelten wie Seekranke vor und zurück, was vom Publikum sofort adaptiert wurde. Immerhin drei Gitarren wurden für diesen Zeitlupen-Rock benötigt, der erstaunlich gut herausgearbeitet war. Da hatte jemand seine Postrock-Hausaufgaben gemacht.

Maybe a Wretch waren insgesamt nur zu dritt, und das Schnellste der Band war wohl das Hellacopters-Shirt des Bassisten. Die Musik war vereinnahmend und knüpfte gut an den vorangegangenen Turbine-Sound an, jedoch war der Gesang so lustlos-halbherzig, dass man gut auf ihn hätte verzichten können. Ohne das störende Mikrofon wäre auch mehr Platz für Bühnenbewegung gewesen. Musikalisch bekam man jedoch eine zaghafte Schönheit, die durch die Postrock-typischen triolischen Kompositionen genau auf den Punkt gebracht wurde. Da war die scheinbare Widerwilligkeit des Sängers fast schon störend: Wie ein Reh im Scheinwerferlicht, mit einem Ausdruck der Todesangst in den Augen, erstarrte er vor dem Mikro. Aber gut, so ganz unpassend war das auch nicht.

Djevara dagegen waren ein explosives Energiebündel, dessen Musik ganz in den Neunzigern zu verorten war. Irgendwo zwischen Rage Against the Machine, At the Drive-In und Refused spielte das Trio ein Inferno, aus dem es kein Entkommen gab. Sänger Anté Bassey machte das Mikrofon überflüssig, so laut war er. Das Konzert war so strudelig und verrückt, als würde die Band schon am ersten Tag der Europa-Tour sämtliches Pulver verschießen wollen. Der Einzige, der seinem Instrument treu blieb, war der Schlagzeuger, während die anderen beiden munter ihre Instrumente tauschten – der Gitarrist wurde zum Bassisten und andersrum. So viel Energie war fast schon beängstigend.

Und natürlich steckte auch ganz viel Message hinter Djevara: Nichts weniger als das Ende der Intoleranz und der Beginn der Gerechtigkeit soll der Name bedeuten. Und klar sei man politisch, erklärt Sänger Anté: „Wir wollen die Gesellschaft ändern und Autoritäten infragestellen.“ Dazu müsse man auch nicht belehrend daherkommen. „Ich esse keine Schokoriegel, weil ich sie brauche“, erklärt Schlagzeuger Malc die Idee hinter der Band. „Und genauso wenig brauche ich Musik.“ Aber man könne ja auch nichts ändern, ohne es zu thematisieren. Und darum gehe es letztendlich. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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