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Film zum Israel-Palästina-Konflikt im Filmmuseum: Die Söhne Abrahams

Den Palästinakonflikt runterbrechen auf den Mikrokosmos einer Familie? Geht eigentlich nicht.

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Den Palästinakonflikt runterbrechen auf den Mikrokosmos einer Familie? Geht eigentlich nicht. Viel zu kompliziert, zu verfahren ist die Situation, als dass man sie anhand zweier Familien illustrieren könnte – oder doch? Genau das versucht der Film „Der Sohn der Anderen“, der am Mittwochabend im Rahmen der Reihe „Der Israelische Film. Konflikte, Lösungen, Visionen“ im Potsdamer Filmmuseum gezeigt wurde – und es gelingt ihm ganz gut.

Alles beginnt damit, dass auf einmal alles weg ist: Eigentlich will der 18-jährige Joseph Silberg (Jules Sitruk), Sohn einer israelischen Mittelstandsfamilie mit französischem Background in Tel Aviv, seinen Militärdienst antreten – bis bei einer Routinekontrolle festgestellt wird, dass seine Blutgruppe nicht mit der seiner Eltern übereinstimmen kann. „Es gibt keine Ausnahmen in der Genetik“, resigniert seine Mutter schließlich – Joseph kann nicht das gemeinsame Kind sein. Aber wessen Kind ist er dann?

Die Spur führt zurück nach Haifa, die Hafenstadt, in der im Januar 1991 Scud-Raketen einschlugen – bei der Evakuierung des Krankenhauses wurde Joseph offenbar mit Yacine (Mehdi Dehbi) verwechselt, der bei einer palästinensischen Familie im Westjordanland aufwächst. Die beiden Familien treffen sich – und müssen ihre Geschichten jeweils neu erfinden, und zwar von einem Ausgangspunkt, der zunächst das blanke Entsetzen ist. Doch so knallhart sich beide Familien in ihrem Schlamassel gegenüberstehen, umso mehr nähern sie sich schließlich an.

Regisseurin Lorraine Lévy hätte aus dem Plot einfach eine witzige Verwechslungskomödie entwerfen können. Zum Glück verzichtet sie darauf – und lässt den Witz dennoch entstehen, wenn auch viel subtiler. „Das Judentum ist keine Überzeugung, sondern ein Zustand“, sagt der Rabbi etwa zu Joseph. Jude kann man nur mit einer jüdischen Mutter sein – was ausgerechnet den Palästinenser jüdischer als den Israeli werden lässt. Auf der anderen Seite, der palästinensischen Familie, sind die verhassten „Besatzer“ plötzlich blutsverwandt: „Schau, Isaak und Ismael, die beiden Söhne Abrahams“, charakterisiert Yacine einmal sich und seinen unfreiwilligen neuen Bruder. Dass der Film so wenig vom israelisch-palästinensischen Konflikt zu trennen ist, wie er ihn lösen kann, das stellt Frank Stern vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum, der die Filmreihe initiierte, gleich fest. Wichtiger findet er aber die Entstehungsgeschichte dieses Films, dessen Utopie eines Friedens im Nahen Osten nicht einmal primär in der Handlung zu verorten sei: Im kulturell-künstlerischen Bereich arbeiteten junge Menschen – Franzosen, Israelis, Araber, Palästinenser – zusammen, die auf politischer Ebene verfeindet sein müssten. Und an dieser Generation wird es auch liegen, die Geschichte von morgen zu schreiben. Da ist dieser Film schon der Schritt in die richtige Richtung. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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