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Kultur: Die Sprachbarriere blieb Eine literarisch-musikalische Soirée

russischer und deutscher Künstler

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russischer und deutscher Künstler Vielleicht fühlt sich ein Dichter, der in einem fremdsprachigen Land lebt ja ein wenig wie der der russischen Sprache weitgehend unkundige Zeitungs-Rezensent bei einer Lesung russischer Literatur. Man hört in Antonia Gutovas Übertragung von Heinrich Heines Loreley den Rhein, vielleicht auch die Wolga fließen, das Versmaß ist erhalten, man ahnt, dass die Nachdichtung geglückt ist – aber man versteht die Worte nicht. Bei der Soiree im Internationalen Begegnungszentrum der Wissenschaften Potsdam war glücklicherweise immer für eine Übersetzung oder Nachdichtung gesorgt, und dennoch war die Sprachbarriere greifbar. So schreibt auch die seit 1995 in Deutschland lebende Lyrikerin Natalia Gorbatyuk lieber noch auf Russisch, da für den literarischen Ausdruck ein vollkommenes Gefühl für die Sprache unabdingbar ist. Eventuell, so sagt sie selbst, fühlt sie sich eines Tages sicher genug, auch deutsche Gedichte zu schreiben. Denn die Lyrik dient ihr nicht nur als Brücke zur alten Heimat Odessa, wenn sie in „Nostalgia“ im Rauschen deutscher Birken ukrainischen Gesang vernimmt. Vielmehr besingt sie auch ihr neues Zuhause, Berlin und Potsdam in ihrer eigentlichen, der russischen Sprache und verbindet so in ihrem Werk Neues und Altes aus ihrem Leben, indem sie weder das Vergangene verdrängt, noch das Kommende verweigert. Und dank der Nachdichtungen ihrer Gedichte durch Walter Flegel, Geschäftsführer des Literatur-Kollegiums Brandenburg, sind sie auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich und verweisen so auf eine mögliche geglückte Koexistenz von Sprachen und Kulturen hin. Auch in dem Almanach, den das Literatur-Kollegium derweil nicht zuletzt mit Werken seines Mitglieds Natalia Gorbatyuk realisiert, werden russische und deutsche Werke nebeneinander stehen. Die Dichterin gibt seit geraumer Zeit auch das zweisprachige „Potsdamer literarische Blatt“ heraus und bemüht sich durch ihre Übersetzungen deutscher Werke in ihre Heimatsprache, um den Kulturtransfer auch in diese Richtung. Wie bei Gorbatyuk, war in den meisten Gedichten und Geschichten, die am Montagabend vorgetragen wurden, die Spannung zwischen alter und neuer Heimat spürbar. Wie etwa in Svetlana Zhukowas rührseliger Erzählung, in der ein Kind einen ebenso schweren wie erfrorenen Hund kilometerweit durch den Schnee nach Hause trägt und die Hoffnung hegt, ihn wieder zum Leben erwecken zu können. Auf diese Weise äußert die Autorin auch den Wunsch, ihre eigene Vergangenheit als Biologie-Professorin in der Sowjetunion hinter sich zu lassen. Im Gegensatz dazu bedauert Firousa Talybova den Verkauf von Erinnerungen in Form von Teppichen, die seit Generationen in Familienbesitz waren – Erinnerungen, die heute in der Fremde vielleicht doppelt wertvoll wären. Für Ella Gurzhy von der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft, die den Abend organisiert hatte, stand die Darstellung der Kompetenz und Begabung ihrer Landsleute im Vordergrund. Ein erstes Anzeichen dafür, dass dieses Vorhaben gelungen ist, war das gemischte Publikum, das gebannt lauschte und applaudierte, selbst wenn mancher nur die Hälfte verstand. In dieser Hinsicht hatten die Musiker des Trios „Serenada“, die den Abend gekonnt musikalisch umrahmten, einen unschätzbaren Vorteil – ihre Darbietung der Musik von Schubert, Kreisler und Schostakowitsch bedurften keiner Übersetzung. Moritz Reininghaus

Moritz Reininghaus

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