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Kultur: Die Suche nach dem eigenen Weg
Studierende der Burg Giebichenstein Halle mit einer Ausstellung im KunstWerk: „Last exit Halle“
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„Last exit Halle“ nennen die Studierenden der Burg Giebichenstein, die zurzeit im Kunstwerk ausstellen, ihre Schau. Ob das nun ein Verzweiflungsruf ist, weil Halle als Provinz empfunden wird, oder aber als Rettung angesehen wird, weil man in Halle auch noch aussteigen kann aus einem vielleicht festgezurrt erscheinenden Leben, überlassen sie getrost dem Betrachter.
Die Burg Giebichenstein hat einen traditionsreichen Ruf als Kunsthochschule, die handwerkliche Fertigkeit mit künstlerischer Freiheit, jedenfalls zu Ost-Zeiten, zu verbinden wusste. Die ausstellenden Künstler kommen, wie ihre Lehrer auch, inzwischen aus beiden Teilen der Republik und es ist interessant, zu sehen, wie sich dabei das Alte mit dem Neuen verbindet. Jeder der ausstellenden Künstler schlägt eine ganz eigene Richtung ein, und manche haben auch eine Handschrift entwickelt. Auffällig ist, dass besonders viel Grafik an den Wänden hängt. Dies ist sicher eine Eigenart des Ostens und man sieht sie eigentlich selten bei jungen Künstlern: Da gibt es Christian Diaz-Orejarena, der eine Serie von Ätz- und Aquatintaradierungen vorstellt, die Motive aus der Kunstgeschichte mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft vereinen: „Werbeinszenierung von Rubens Raub der Sabinerinnen auf dem real Shopping-Center im Euro-Industriepark München“. Ein sehr langer Titel für ein kleinformatiges Bild, aber in dem ist alles drin, was der Raub der Sabinerinnen als Werbeinszenierung so benötigt: Das Mieder der geraubten Dame mit den üppigen Beinen springt dem Betrachter in die Augen, ein comic-artiges „BOOM“ betont den Ereignischarakter der Veranstaltung, irgendwo in dem Gewusel ist das „real“-Label versteckt und trotz der modernen Aufmachung kommt die Technik fast altmodisch solide daher. Sowohl in der kritischen Aussage, der Kombination der Techniken, als auch in der Ausführung sucht Diaz-Orejarena neue Wege, zeigt aber Respekt vor der Kunstgeschichte. So bezieht er sich auch auf die Schrecken des Krieges von Goya - und damit auf einen Meister der Radierung. Wer so hoch hinaufblickt, sollte auch weiter kommen.
Auch Georg Lisek orientiert sich in seinen Ölmalereien an den alten Meistern und modernisiert behutsam: Seinem „Alten Mann“ tropft die Firnis von der Stirn, seine „Susanna“ zeigt viel Dunkel und „Das Neugeborene“ atmet die Frührenaissance. Undine Bandelin hat sich in ihrer Malerei etwas weiter von den Vorbildern entfernt: Großformatig, aber nicht weniger düster, kommen ihre Gestalten z.B. bei der „Essensausgabe“ daher und das „Gefängnis“ zeigt modern gebrochene Figuren in eher zeitgenössischer Manier. Julian Plodek bietet eine Reihe von Acryl-Landschaftsgemälden, die die Tradition der Landschaftsmalerei, aber auch der Fotografie zitiert. Moderne Stadtrandsiedlungen und Straßen erhalten eine ruhige und doch triste Ausstrahlung. Wie hingeworfen liegt eine Art Puppe auf dem Fußboden, ein Bein nur, kopflos und bepelzt liegt sie da, als habe ihr Schöpfer Grian Seidl mit Wucht die Aggression mancher Eltern in diese kleine Figur gelegt. Metallskulpturen von Sebastian Pless begegnen dem Besucher immer mal wieder: „ Mann und Frau“, eine Kombination von Merkmalen beider Körper, ist zerrissen, offen, vielleicht in der aggressiven Liebe zerschlissen.
Weniger interessant dagegen die Fotografien von Sebastian Löwe, der mit „Fernewerder“ eine Serie von Bauernhofidyllen anbietet, die bei näherem Hinsehen durch die Brutalität des Gezeigten (Schafschlachterei) und die eingefügten, latinisierenden Lehrbuchtitel, nicht viel dazu gewinnen. Luise Marbach, Studierende der Buchkunst, zeigt im Obergeschoß eine Serie von Illustrationen zu „Die Marquise von O...“ von Kleist: aus ziselierten Rähmchen schauen Puppengesichter, deren Augen durch Balken verdeckt sind. Assoziationsreich wie die gesamte Ausstellung, die die oft gelungenen Bemühungen der jungen Künstler zeigt, deren Suche nach einem eigenen Weg deutlich nachvollziehbar ist. Lore Bardens
Bis 11. 11., Mi-So 15-19 Uhr, Do bis 22 Uhr, KunstWerk, H.-Elflein-Straße 10
Lore Bardens
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