Kultur: Die Suche nach dem perfekten Reim
Dendemann: Hip Hop im vollen Waschhaus
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Im September vergangenen Jahres erschien mit „Die Pfütze des Eisberges“ das langersehnte Solo-Album der ehemaligen Eins Zwo-Kratzbürste Dendemann – nach über drei Jahren Produktionszeit. Nachtragend sind die Potsdamer nicht, dass „Dende“ seine Fans so lange auf heißen Kohlen hat sitzen lassen. Die Potsdamer pilgern in Hundertschaften ins Waschhaus und sind bester Dinge, als der dänische Support Static & Nat Ill die Bühne betritt. DJ Static zitiert sich an den Turntables durch 30 Jahre Hip Hop – Geschichte und Nat Ill macht seinen Job als Klon eines amerikanischen Rappers verdammt gut. Die Kälte scheint noch in den Gliedern zu stecken, denn so richtig kommt das Publikum noch nicht in Fahrt.
Das ändert sich schlagartig als Dendemann mit seinem Tour-DJ Suro die Bühne betritt: „Das pumpt Saft in die leere Batterie und ist Ausschlag gebender als jede Allergie“, reimt er sich wortgewitzt in „Check mal die Rhetorik ab“ warm.
Wer stumpfen Battle-Rap wollte, ist zu diesem Zeitpunkt schon wieder rückwärts auf den Parkplatz gestolpert, denn der chronisch heisere Dendemann ist immer noch verliebt in die deutsche Sprache und arbeitet mit ihr wie mit einem ergiebigen Werkstoff. Sogleich stellt er klar: „Meine 26 Kumpels sind immer noch dieselben.“
Während andere Rapper ganze Alben damit zukleistern, möglichst viele Synonyme für die weiblichen Geschlechtsteile zu finden, begibt sich Dendemann lieber auf die Suche nach dem perfekten Reim: „Reime sind für mich nur die Geister, die ich rief / Auf der Suche danach werde ich zum Meisterdetektiv“. Dabei bastelt er aus seinen 26 Freunden abstruse Neologismen und zieht die wildesten Vergleiche zur Beschreibung seiner Dendemann-Welt heran.
Zwischen Songs seiner Solo-Scheibe rutscht dann auch immer wieder ein Titel aus vergangenen Eins Zwo-Zeiten: „Liebes Logbuch“, „Vogelperspektive“ und die Live-Bombe überhaupt „Vatertag“, bei der Dende ins Publikum fragt „Wer ist der derbste?“ und die Antwort aus hunderten Kehlen bekommt: „Dein Vadder!“.
Probleme hat Dendemann einzig bei seiner Tätigkeit als Lehrer der musikalischen Früherziehung: „Klatscht in die Hände, auf 2 und 4“, fordert er, aber das Publikum scheint überfordert von dieser Aufgabe. „Ich hab Zeit“, lacht er und wiederholt die Übung, bis zumindest der halbe Saal brav in die Hände klatscht. Die Hip Hop-Fanatiker wollen halt lieber den ganzen Körper bewegen, wozu sie beim Eins Zwo-Kracher „Danke, gut“ reichlich Gelegenheit haben. Spätestens jetzt könnte man das Konzert auch auf die Open Air-Bühne verlegen. Die Leiber sind erhitzt, die Luft ist von Zigarettenqualm gesättigt. Eine kleine Verschnaufpause gibt es mit „3 ½ Minuten“, der ersten Singleauskopplung aus dem neuen Album.
Erstes Erschöpfen wird bei „Hand aufs Herz“ beharrlich ignoriert, denn wer weiß, wie lange man bis zum nächsten Dendemann-Auftritt warten muss. Nach knapp zwei Stunden darf Dende Feierabend machen und die Fans verlassen mit Muskelkater in der Halsgegend den Saal, im Ohr die weisen Worte ihres Helden: „Jedes kleine d hat ein großes Endemann“. Christoph Henkel
Christoph Henkel
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