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Indische Klassik in Potsdam: Die tiefe Schönheit der Ragas
Matyas Wolter und Sanjib Pal spielen am Samstag klassische indische Musik in der Kirche am Neuendorfer Anger.
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Der Raga Bhupali ist von strahlender Schönheit. Ein betörendes Klanggebilde, in dessen klarer Farbigkeit der Zuhörer schon nach wenigen Minuten völlig eintauchen kann. Fünf Töne nur, in reinen Intervallen, die sich zu einer musikalischen Welt voller Harmonie und klangreicher Glückseligkeit entfalten. Mit dem Raga Bhupali wird der Sitarspieler Matyas Wolter am heutigen Samstag das gemeinsame Konzert mit dem Tablaspieler Sanjib Paul in der Kirche am Neuendorfer Anger eröffnen. So bietet sich hier mal wieder die seltene Möglichkeit, in Potsdam ein Konzert mit klassischer indischer Musik zu erleben.
Matyas Wolter, der vor wenigen Wochen mit „Calcutta Musings“ sein erstes Studioalbum mit klassischer indischer Musik veröffentlicht hat, wird den Raga Bhupali aber nicht auf der bekannten indischen Langhalslaute Sitar, sondern der Surbahar spielen, wegen ihrer tiefer gestimmten Saiten auch Basssitar genannt. Wegen der tiefen Ruhe und fast schon meditativen Kraft im Spiel auf der Surbahar ist diese Konzerteröffnung auch eine wunderbare Einladung an die Zuhörer, die bisher gar keine oder kaum Berührung mit der faszinierenden und so reichen indischen klassischen Musik hatten, sich auf dieses besondere Erlebnis einzulassen.
Matyas Wolter studiert die klassische nordindische Raga-Musik auf der Sitar seit Jahren bei seinem Lehrer, dem renommierten Sitar-Virtuosen Subroto Roy Chowdhury. Zahlreiche Indienaufenthalte haben sein musikalisches Wissen und seine Fertigkeiten vertieft und machten ihn zu einem authentischen Interpreten der klassischen Musik des indischen Subkontinents. Im Jahr 2010 beschloss er sein Studium im Fach Instrumentalmusik/Sitar an der Akhil Bharatiya Sangeet Samach Musikschule in Kolkata mit dem 5-Jahres-Diplom. Wie tief Matyas Wolter mittlerweile in den Ragakosmos eingetaucht ist, zeigen seine regelmäßigen Konzerte. Vor allem aber zeigt sich sein Verständnis, gepaart mit einer lyrischen Virtuosität und einem so klaren und wunderschön-singenden Ton, auf „Calcutta Musings“, auf dem er zusammen mit dem Handtrommelspieler Sanjib Pal die Ragas Charukeshi, Hansadhwani, Bairagi und Chandrakauns eingespielt hat. Sanjib Pal, mit dem Wolter regelmäßig bei seinen Konzerten zusammenspielt, ist einer der gefragtesten Tablaspieler der jüngeren Generation in Kolkata und wird für seine Virtuosität und Präzision gepriesen.
Ragas, die für jede Tages- und Jahreszeit komponiert wurden und den jeweiligen Gemütszustand des Menschen widerspiegeln sollen, gibt es unzählige. Eröffnet werden sie mit dem Alap, ein oft meditatives, rhythmusfreies Vorstellen der musikalischen Grundstruktur, der Grundmelodie des jeweiligen Ragas. Allein in dieser variantenreichen Vorstellung zeigt sich schon die Fertigkeit und Verinnerlichung bei dem jeweiligen Musiker. Fast übergangslos geht es dann in die Rhythmusteile Johr und Gat. Der erste ohne, der zweite mit Begleitung der Handtrommeln Tabla, die dann Surbahar oder Sitar in immer rasanterem Tempo und mittels virtuoser Variationen zu herrlichster Improvisationsraserei treiben. Von sanft zu wild, von nachdenklich zu ausgelassen. Gelingt es dem Musiker, durch sein Spiel Zugang zum Herzen des Zuhörers zu finden, kann es passieren, dass er diesen auf Lebzeiten mit der tiefen Schönheit der Ragas infiziert.
Konzert mit Matyas Wolter und Sanjib Pal am heutigen Samstag, 19 Uhr, in der Kirche am Neuendorfer Anger. Der Eintritt kostet 5 Euro
Dirk Becker
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