Kultur: Die Tiefen der Mythologie
Menno Veldhuis mit großformatigen Gemälden über menschliche Leidenschaften in der Kunstetage
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Menno Veldhuis, der aus Holland in die holländischste aller deutschen Städte übersiedelte 32-jährige Maler, überrascht. Hatte er im Frühjahr im Gründerzentrum noch mit einer ganzen Ahnengalerie clownesker Gestalten, die in ihrer traurigen Komik den Betrachter aus großen Augen anschauten, meist in Kleinformat gebannt, wandte er sich nach dieser monothematischen Phase einem neuen Thema zu: dem Minotaurus. Und das ging nicht mehr im kleinen Quadrat, dazu brauchte er Wände füllendes, pralles, den Rahmen seiner bisherigen Malerei sprengendes Format.
Dem Doppelwesen aus Stierkopf und Menschengestalt hat sich in der Moderne hauptsächlich Picasso angenommen, der in den dreißiger Jahren das bedrohliche, Gewalt ausübende Ungeheuer zeigte. Der Minotaurus von Veldhuis ist nicht nur einer, er breitet sich auf den großformatigen Ölgemälden, die den weiten Räumen der recht unbekannten Kunstetage in der Behlertstraße eine sonderbare Aura verleihen, mit einer geradezu anarchischen Macht aus. Ganze Herden dieser Mischwesen haben sich auf den neun Bildern versammelt, sie schweben mal auf Wolken, zeigen mit Degen und Schwert auf ihre Opfer, die selbst in Minotaurengestalt herumwirbeln und Schutz suchen. Und immer bleiben sie in ihrem Labyrinth gefangen. Manchmal verfügen sie sogar über einen Frauenleib mit üppigen, dunkelorangefarbenen Formen und vibrierender erotischer Kraft.
Veldhuis ist sehr tief in den griechischen Mythos eingetaucht und hat ihn in seiner großflächigen Malerei neu interpretiert. Wollüstig und rachedürstend scheinen diese Kreaturen zu sein, die in einem wahren Fegefeuer der Eitelkeiten miteinander in einer Verbindung stehen. Sie sind geprägt von sexuellen Lüsten, von archaischer Gewalt und von den vier Elementen. Ein Fackelträger mit Stierkopf wankt zum reißenden Fluss, in dem Artgenossen um ihr Leben ringen. Seiner phallischen Gewalt verstärkt ein rotes Tuch um die Lenden die verzehrende Energie. Blutig geht es zu in den Fluten, Hände greifen aus dem Wasser in haltloser Angst vor dem Untergang. In der „Requisitenabteilung“ hämmern und malern die Gehilfen, während ihre Kollegen in an Loren erinnernden Kippkarren im Sturz vergeblich nach einem Halt suchen. Seine Tätigkeit als Statist beim Hans Otto Theater hat Veldhuis sichtlich beeinflusst. Es ist ein apokalyptisches Durcheinander der Kämpfer und ihrer Musen, eine Welt des wilden Mythos und der freien Kombinationslust. „Mut“ wollte er sich anmalen, Mut nach der kräftezehrenden Erfahrung mit den Clowns, die weniger lebendig wirkten als die aktuellen, kühn entworfenen Bilder. Veldhuis hat sich einem wahren Furor der Mythologie hingegeben und gönnt seinen Protagonisten keine Muse. Nur einmal dürfen sie hingegossen auf einer Art Wiese lagern, täppisch neigen sie einander die Stierköpfe zu, als könnten sie so mehr Menschlichkeit gewinnen. Auf jeden Fall hat der Maler gewonnen und blickt wild unerschrocken in die Tiefen menschlicher Leidenschaften im mythologischen Kleid. Lore Bardens
Zu sehen bis 21. 12. in der Kunstetage Behlertstraße 27 A, Tel. 0174/7600553
Lore Bardens
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