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Kultur: Die Tiger Lillies privat

Unidram I: Die Engländer probten „Punch und Judy“

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Unidram I: Die Engländer probten „Punch und Judy“ In der Schiffbauergasse war am Wochenende zu erleben, dass sich die Potsdamer zwar über einen kühlen Sommer, aber nicht über fehlende Kulturangebote beschweren können. Am verregneten Sonnabend verweilen noch einige Unidram-Besucher vor der Reithalle A und diskutieren das gerade gesehene ungarische Tanztheaterstück, während das Einlasspersonal des Waschhauses streng wie immer die nächtlichen Besucher kontrolliert. Die Massen hingegen strömen in die Fabrik, um das letzte Stück des Festivals für Off-Theater mitzuerleben. Eine Woche lang hat Unidram mit 12 sehr unterschiedlichen Inszenierungen für Gesprächsstoff in Cafeterias, Straßenbahnen und Cafes gesorgt. Im 11. Jahr ist Unidram fest verankert im Potsdamer Kulturkalender. Zum Ausklang sind die Tiger Lillies aus London eingeladen, die in erster Linie als Musiker mit Rollenspielambitionen bekannt sind. Eine halbe Stunde vor Beginn ist die Stimmung aufgeladen, da der große Saal der Fabrik bereits restlos ausverkauft ist. Die Glücklicheren halten eine Karte in ihren Händen, während die kurz Entschlossenen ihre Spontaneität bereuend neidvoll in die Gesichter derer blicken müssen, die in weiser Voraussicht Karten vorbestellt haben. Eine lange Warteliste lässt viel zu viele auf Plätze hoffen, die möglicher weise durch nicht abgeholte Karten frei werden. Auch für die Kritikerin endet der Theaterabend abrupt an der Kasse. Die Künstler bestehen auf einen Ausschluss der Presse, da die angekündigte Weltpremiere des neuesten Stückes erst in zwei Monaten in Edingburgh stattfinden wird. Bei dem Gastspiel in Potsdam handele es sich um öffentliche Proben, zu denen das Publikum zwar eingeladen, eine Stückkritik aber verfrüht sei. Schade! Der schwarze Humor der Tiger Lillies stellte eine unterhaltsame Interpretation der englischen Kasperlefigur Punch in Aussicht. Mit Burattino, Pinochchio und ähnlichen Holzpuppen hat Punch nur äußerlich Ähnlichkeit. Seine Bösartigkeit, der makabre Witz und seine brutalen Lieblingsspäße machen ihn nicht unbedingt einsetzbar für die Erziehung von Kindern. Wohl gerade deshalb ist Punch eine Kultfigur der britischen Insel, die immer wieder neu belebt wird. In den Gesichtern der Besucher sieht man nach dem Stück Verstörung und Begeisterung. Die Musik sei großartig gewesen, die Rolle des Punch wie maßgeschneidert für Martyn Jaques, den Sänger der Tiger Lillies. Immer noch grinsend wurde von einfallsreichen inszenatorischen Elementen wie aufblasbaren Puppen, Kasperletheater als Schattenspiel im Stummfilmdesign und einer witzigen Interaktion zwischen Bühne und Publikum berichtet. Irritiert waren einige indes vom bitterbösen Humor, der keine moralische Grenze zu kennen scheint. Gelangweilt scheint sich niemand zu haben. Lene Zade

Lene Zade

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