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Der Natur den Spiegel vorhalten. Mary Bauermeisters Kristall-Skulpturen.

© A. Klaer

Kultur: Die unerträgliche Leichtigkeit des Kristalls Mary Bauermeister stellt im Museum Fluxus aus

Es ist ein ganzes Sammelsurium an Arbeiten, die sich da im Erdgeschoss des Museum Fluxus finden. Zeichnungen, Skizzen, Fotos, ein paar Äste am Boden, das Laub schon welk aber noch grün.

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Es ist ein ganzes Sammelsurium an Arbeiten, die sich da im Erdgeschoss des Museum Fluxus finden. Zeichnungen, Skizzen, Fotos, ein paar Äste am Boden, das Laub schon welk aber noch grün. Und natürlich Steine, größere und kleinere Flusskiesel – die sind bei Mary Bauermeister fast genauso allgegenwärtig wie die Kristalle. Große, unpolierte Brocken Kristall packt die heute 80-jährige Künstlerin auf geschliffene Kristall-Stelen, ganz gleich, ob sie nun Gärten, Innenhöfe oder Wohnräume gestaltet. Ihre Ausstellung „Kunst(t)räume“ dokumentiert eine Auswahl ihrer Gartenbau-Projekte. Natur findet man deshalb nicht nur im Ausstellungsraum im Museum Fluxus in Form ein paar trockener Zweige, sondern sie durchdringt all ihre Arbeiten.

Mary Bauermeister, 1934 in Frankfurt am Main geboren, gilt als die stille Begründerin der Fluxus-Bewegung. In ihrem Atelier in Köln trafen sich Anfang der 1960er-Jahre andere Pioniere der Kunstrichtung. Erste Happenings, also Kunstaktionen, die das Publikum miteinbeziehen, fanden dort statt. Nam June Paik etwa zertrümmerte dort Klaviere – Ausdrucksformen, die es damals in den offiziellen Ausstellungsstätten schwer gehabt hätten, fanden hier Raum. Warum sie selbst keiner der ganz großen Namen dieser Kunstrichtung wurde, hat Mary Bauermeister mal in einem Interview erklärt: „Ich bin Vor-Fluxus – und Post-Dada.“ Ein zwischen-den-Stühlen also.

In Potsdam stellte sie einst eine auf den Kopf gestellte deutsche Flagge auf, Titel der Aktion: „Zopf ab“. Das hatte für sie zunächst ästhetische Gründe: „Jedes Mal, wenn ich die Flagge sehe, spüre ich: da stimmt was nicht.“ In einem Deutschland, in dem das Gold die Oberhand hat und das Schwarz nach unten verbannt wird, gehe es freundlicher zu, so ihre Vorstellung. Überhaupt: Alles, was Macht und Herrschaft ist, sei ihr suspekt, sagte sie damals. Die Kultur, die Friedrich II. pflegte, möge ja lobenswert gewesen sein, seine Machtpolitik aber eben nicht.

Sie ist, das leuchtet aus allen ihrer Arbeiten, fast so klar wie die Kristalle, ein alter Hippie. Die von ihr gestalteten Räume, die in der Ausstellung im Museum Fluxus leider ausschließlich durch Fotos und Planungsskizzen und zwei kleinere Modelle dokumentiert sind, haben diese leicht chaotische, aber aller Schwere beraubte Atmosphäre von Kinderzimmern. Da hängt etwa dieses großformatige Foto eines Wohnzimmers, ein Raum, umgeben von einem Haus der Moderne, einem dieser flachen Bauten mit dem typischen dunklen Holz und den etagenhohen Fensterfronten. Inmitten dieser perfekten Klarheit hat sie ein Stelen-Ensemble aus geschliffenem Kristall aufgebaut, direkt vor einem der großen Fenster. Die Stelen krönen weitere Kristalle und eigentlich müsste das alles den süßlich-schweren Geruch eines Esoterikladens tragen. Tut es aber nicht, und das ist das Erstaunliche an Mary Bauermeisters Arbeiten. Überall diese Krsitalle, die, für sich genommen, an dubiose Wunderheiler erinnern. Und dann: Transparenz und Transzendenz statt schwülem Geschwurbel. Vor dem Stelen-Ensemble hat sie einen kreisrunden Teppich aus flachen Flusskieseln gelegt, weitere Objekte an den Wänden aufgehängt. Die kleine Ecke des Raumes, der auf dem Foto zu sehen ist, ist rappelvoll. Trotzdem wirkt er nicht düster, sondern im Gegenteil leicht und heiter – aber nicht kitschig.

Neben all den großen Fluxus-Künstlern gab es übrigens noch einen anderen bekannten Mann in Mary Bauermeisters Leben: Sechs Jahre lang war sie mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen liiert, in ihrer kreativen Arbeit scheinen sich die beiden gegenseitig angespornt und befruchtet zu haben. In eine aufgeschnittene, kugelrunde Astgabel etwa hat Mary Bauermeister Lagen von Papier geklebt – mit Partituren von Stockhausen. Die ganze Arbeit wirkt auf den ersten Blick wie ein archaisches Instrument – auf den zweiten Blick wie eines, dem die Neue Musik schon eingeschrieben ist.

Wofür die Kristalle stehen, klärt sich übrigens, wenn man einen handgeschriebenen Zettel studiert, auf dem sie Farben den Jahreszeiten zugeordnet hat. Hellgelb, Orange und Weiß für den Frühling, Rosa, Purpur und Violett für den Frühsommer. Für den Winter sieht sie keine Farben vor, dann, so schreibt sie, werde die Struktur wichtig. „Die Formen werden wesentlich, das Geäst der Sträucher, die Stämme treten klarer hervor.“ Und was wäre mehr kalte, klare Struktur als ein Kristall?

Mehr als bloß ein paar Skizzen und Modelle könnte es in Potsdam schon bald von Mary Bauermeister zu sehen geben: Im Rahmen der Ausstellung hat sie einen Entwurf für eine etwas lebendigere Gestaltung des Schirrhofs gemacht. Bislang taugt der Platz vor dem Museum Fluxus lediglich als Parkplatz, gelegentlich auch für Kulturveranstaltungen. Wirklich zum Verweilen lädt er aber nicht ein. Mary Bauermeister will das ändern. „Die militärische Vergangenheit des Hofes muss geheilt werden“, schreibt sie dazu. Ariane Lemme

Die Ausstellung „Kunst(t)räume“ ist noch bis zum 22. November im Museum Fluxus, Schiffbauergasse 4f, zu sehen. Geöffnet ist dort mittwochs bis sonntags von 13 bis 18 Uhr.

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