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Kultur: Die Unmöglichkeit einer Liebe

In „Verabredungen mit Mattok“ durchwandert Julia Schoch äußere und innerer Katastrophengebiete

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In „Verabredungen mit Mattok“ durchwandert Julia Schoch äußere und innerer Katastrophengebiete Von dirk Becker Julia Schoch überrascht. Die anfängliche Distanz entspricht dem Bild von ihr, das sich bei der Lektüre ihrer spröden Texte einstellt. In halbdunkler Ecke des Wiener Cafés sitzt sie seitlich vor ihrem Gegenüber. Ihr Blick fällt in den großen Raum. Versteckte Boxen plärren Swing. Nur wenige Gäste haben sich an diesem frühen Nachmittag an den kleinen Tischen verstreut. Mit „Verabredungen mit Mattok“ hat Julia Schoch nach ihrem erfolgreichen Debüt „Der Körper des Salamanders“, den ersten Roman auf den Markt gebracht. So zumindest schreibt es der Münchener Piper Verlag auf das knapp 130 Seiten starke Buch. Julia Schoch bezeichnet „Verabredungen mit Mattok“ selbst als Novelle. Es ist die Geschichte von Claire Elling und Mattok, die in einem namenlosen Touristenort an der Ostsee versuchen zueinander zu finden, während auf dem Wasser der gekenterte Öltanker Baltik Vier ausläuft. Doch Geschichte ist eine Bezeichnung, an der sich Julia Schoch stoßen würde. Die 29-jährige Autorin verweigert sich. Sie verzichtet darauf, ihre Figuren mit einer Psychologie auszustatten. „Ich will nicht alles erklären, alles verraten. Wichtig ist nur, was zwischen den beiden passiert.“ Die klassische Erzählweise, die sich zu oft im Detail verliere, vermeidet sie. So bleiben Claire und Mattok Skizzen. Zwei Figuren, die kaum etwas verraten und es dem Leser nicht immer einfach machen. Aber einfach sein, das will Julia Schoch auch nicht. Claire und Mattok sind hilflos. Der äußeren Katastrophe um die gekenterte Baltik Vier gegenüber, der routiniert die zahlreichen Einsatzkräfte und Freiwilligen entgegentreten, genauso wie der eigenen inneren. Claire hat ein unheilbares Ekzem an der rechten Hand, das ihre Taschentrickkünstlerkarriere beendet. Mattok, der rätselhafte Mattok ist auf der Flucht. Doch wovor, das scheint er manchmal selbst nicht zu wissen. In dieser unmöglichen Situation eine unmögliche Liebe zu versuchen, davon handelt „Verabredungen mit Mattok“. Sprunghaft, so wie sie auch denkt, erzählt Julia Schoch vom Trudeln und Stolpern dieser beiden so undurchschaubaren Personen. Hat sie noch in „Der Körper des Salamanders“ in der Ich-Form geschrieben, wählte sie für ihr aktuelles Buch die dritte Person. Die dadurch entstehende Distanz, so hat Julia Schoch an anderer Stelle erklärt, mache die Figuren zu Marionetten. Marionetten, die Julia Schoch hier mit kühlem Blick an ihren Erzählfäden hängen lässt. Und während sich das Gespräch um ihren Weg zum Schreiben dreht, diese innere Getriebenheit, die sie vor Jahren dazu bewog, die universitäre Laufbahn aufzugeben, während sich dabei das anfängliche Bild von einer kühl-distanzierten Autorin verfestigen will, da schlägt Julia Schoch überraschend einen Haken. Woran sie denn gerade schreibe? „An einem Drehbuch“, antwortet sie und scheint ein wenig amüsiert über den leicht ungläubigen Ton bei der erneuten Nachfrage. Julia Schoch wirkt jetzt gelöster, ihr Blick wandert kaum noch durch das Lokal. Sie erzählt und entpuppt sich als ausgemachte Filmliebhaberin. Die 60er und 70er Jahre des französischen und amerikanischen Films haben es ihr angetan, denn hier war eine neue Generation von Filmemacher am Werk. Und wenn Julia Schoch den jungen Belmondo erwähnt, schwingt sogar etwas von jugendlicher Schwärmerei mit. Filme bringen große Gefühle, erklärt sie. Bilder seien einfach komplexer als das geschriebene Wort. Wo der Schriftsteller erklären müsse, kann ein Regisseur Hinweise einbauen, die anfangs als Nebensächlichkeiten erscheinen und sich erst am Ende bei der überraschende Auflösung preisgeben. Wie schon in „Der Körper des Salamanders“ spielt Julia Schoch auch in „Verabredungen mit Mattok“ mit ihrer großen Leidenschaft Film, wenn sie Claire und Mattok in einem Café den Western „Duell am Missouri“ am Fernseher verfolgen lässt. Dieses Spiel mit Andeutungen, das sie immer wieder nutzt, um vielleicht doch das Filmische mit der Literatur zu verbinden. In der Hinsicht ist Julia Schoch eine Suchende. Suchend nach Themen, die auch glaubwürdig sind. In unserer Gesellschaft, in der es kaum noch Tabus gebe, sei es schwierig, Konfliktsituationen zu finden. Auf eine andere Kultur auszuweichen oder sich bestimmten Randgruppen zuzuwenden - Julia Schoch nennt das „Sozialromantik“ - sei für sie nicht akzeptabel. Und so stellt sich fast schon zwangsläufig die Frage nach dem Thema ihres Drehbuches, doch sie will noch nichts verraten. Aber so viel scheint klar zu sein. Auch hier wird Julia Schoch wohl mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten. Beim 1. Fercher Literaturtreffen „Mit allen Wassern“ liest Julia Schoch am Sonnabend, dem 19. Juni, um 19 Uhr, in der Alten Schule, Burgstraße 1a, zusammen mit Jörg Matheis und Jan Röhnert.

dirk Becker

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