Kultur: Die verordnete Wohlfühlstimmung
Reinhard Lakomy mit zwei Vorstellungen des „Traumzauberbaums“ im Theaterhaus Am Alten Markt
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Erst kürzlich wurde Reinhard Lakomy der „Rolf Zuckowski“ des Ostens genannt. Doch das Konzert mit dem Liedermacher zur Feier von „25 Jahre Traumzauberbaum" zeigte, dass dieser Vergleich ziemlich hinkt. Nach Konzerten im Berliner Friedrichstadtpalast trat Reinhard „Lacky“ Lakomy am Sonnabend mit seiner großen Revival-Revue im Theaterhaus Am Alten Markt auf, die mit zwei Vorstellungen hintereinander ausverkauft war.
Ebenso wie Rolf Zuckowski wurde Reinhard Lakomy als Sänger und Erzähler für Kinder bekannt und beliebt. Doch das ist auch die einzige Gemeinsamkeit. Was Gesang, Musik und Texte betrifft, könnten die Unterschiede zwischen den beiden kaum größer sein.
Reinhard Lakomy ist ein ziemlich bärbeißig aussehender Typ mit einer beeindruckenden weißen Haarmatte und mit einer rauhen, tiefen Stimme, die gut zum Wolf in Rotkäppchen oder zu einem Räuberhauptmann passen würde. Dass er ursprünglich lieber Jazz machen wollte, glaubt man ihm sofort. Doch irgendwie lief es anders für den gerade sechzig Jahre alt gewordenen Musiker, der 1972 das Günther Fischer Quartett mitbegründet hatte. 1979 erschien seine erste LP mit Geschichtenliedern, für das 1980 folgende Liederbuch „Der Traumzauberbaum“ erhielt er sogleich den Kunstpreis der FDJ. Die Verleihung des Nationalpreises der DDR 1986 festigte seinen Ruhm als Kinderliedermacher.
Der Traumzauberbaum ist ein alter Mann mit einer noch tieferen Stimme als Herr Lakomy. Seine losen, bunten Blätter fliegen, so heißt es, als Träume zu den Kindern. Dazu steht auf der Bühne vor einem riesigen bunten Baum das Keyboard von „Lacky“ Lakomy. Drei grellbunt herausgeputzte weibliche Wesen, genannt Moosmutzel (Olivia Winter), Frau Scheuche (Ines Paulke) und Agga Knack (Katrin Schlenstedt) bringen Bewegung und Abwechslung aufs Parkett. Ihr aufgekratztes Benehmen wirkt irgendwie vorsätzlich eingeübt, der Gesang klingt herbe.
Die Lieder verbreiten einen einförmigen Frohsinn ohne Zwischentöne, verleiten zum Mitklatschen und Schunkeln. Da wird reichlich Geburtstag gefeiert, man freut sich an der schönen Erde oder an „himmlischen Himbeeren“, der Drache Willi wird streng ermahnt „Lach doch mal“ und der Lokführerwunschtraum besungen. Mit Verlaub, das wirkt nicht nur etwas verstaubt, sondern klingt auch sehr nach einer verordneten Wohlfühlstimmung in einem wunderbaren Land.
Themen aus dem Kinderalltag, kleine Probleme vielleicht oder individuelle Erlebnisse kommen nicht vor. Die gewagtesten Nonkonformismen beziehen sich auf allgemein verpönte körperliche Äußerungen, etwa beim „Rumpumpel-Popotanz“. Außerdem wird gezeigt, wie Waldlaus Agga Knack ein Blatt vom Baum klaut und Herr Lakomy trägt ein „Räuberschnapslied“ vor – nicht unpassend zur kruden Stimme.
Die Texte und Geschichten des Traumzauberbaums entstanden in der Phantasie von Monika Erhard, der Ehefrau von Lakomy. Sie passen zu einer heilen und ziemlich rigiden Welt, in der Kinder feste Rollen einnehmen müssen – zum heutigen Kinderleben fehlt der Bezug. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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