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Tragikomisch. Das Poetenpack spielt zum Auftakt der Langen Nacht „Amphitryon“, eine Produktion aus dem Kleistjahr.

© T-Werk

Kultur: „Die Verwaltung verhält sich devot“

Frank Reich zur Situation der Freien Theater und über Verrücktes zur Langen Nacht

Stand:

Herr Reich, es heißt immer, Theater brauchen mehr Geld. Jetzt steht die 8. Lange Nacht der Freien Theater am 12. Mai unter der Schirmherrschaft des brandenburgischen Finanzministers Helmuth Markov...

...es gab in den vergangenen Jahren verschiedene Schirmherren. Zum Beispiel Klara Geywitz, Landtagsabgeordnete und Kulturausschussmitglied der SPD, oder Gunter Fritsch, der Landtagspräsident.

Aber diesmal ist es der Finanzminister. Klingelt es nun in der Theaterkasse, wenn sich Herr Markov hinter die Veranstaltung stellt?

Nein, das hat mit der Kasse nichts zu tun. Das ist eher eine Würdigung

Wie angespannt ist denn die Finanzlage?

Wir haben für die rund 35 freien Theatergruppen im Land eigentlich eine stabile Finanzierung. Aber die Finanzierung bleibt auch in einer Zeit stabil, die von Verteuerungen gekennzeichnet ist. Die Betriebs- und Sachkosten steigen. Da ist auch eine stabile Finanzierung irgendwann zu klein.

Irgendwann oder jetzt?

Das Problem ist aktuell. Angesichts der gestiegenen Kosten muss an der Produktion gespart werden. Das T-Werk hat seine schon verkleinert. Andere Theater müssen auf Tournee gehen, um finanziell über die Runden zu kommen. So hat das Potsdamer Theater Poetenpack ein Riesenprogramm in 40 oder 50 Städten zu absolvieren, auch die fabrik Potsdam reduziert ihre Produktionen und realisierte fast nur noch internationale Gastspielauftritte. Eigene Produktionen sind aber Dreh- und Angelpunkt für die Identifikation mit den Häusern. Dadurch wird es aber auch problematisch, zum Beispiel die in Potsdam vorhandenen Häuser sinnvoll mit Inhalten zu füllen.

Dann müssten also nicht nur das Land, sondern auch Städte einspringen?

Die Städte sind dazu nicht mehr in der Lage, sie schrumpfen – abgesehen von Potsdam. Die Stadt wächst, dazu müsste man sich im Potsdamer Rathaus aber auch strategisch bekennen. Wir haben den Anspruch, künstlerisch hochwertig zu arbeiten. Das würde bedeuten, dass wir hier eine bessere Basisfinanzierung für die künstlerische Arbeit bekommen. Vom Land gab es zuletzt im Jahr 2007 eine große Finanzspritze, fast eine halbe Million Euro. Davon konnten wir unter anderem Veranstaltungstechnik ersetzen, neue Computer kaufen oder vier oder fünf Busse anschaffen, mit denen man auf Tournee gehen kann. Das spielt Geld ein, davon lebt das Poetenpack heute noch. Das sind wesentliche Voraussetzungen, um professionell arbeiten zu können.

Aber dann verreisen die Künstler und spielen nicht in Potsdam?

Genau. Potsdam wächst, wird immer schöner, aber hinter den Fassaden wohnen auch Menschen. Und denen wollen wir etwas anbieten. Aber wenn man Qualität bieten will und ja auch soll, kostet das Geld. Und wenn man Prozesse, wie die in der Schiffbauergasse beginnt, muss man diese auch qualifiziert begleiten und nicht nur mit höchsten Erwartungshaltungen spielen. Die öffentliche Verwaltung und die Kulturpolitiker der Stadt fragen ja nicht mal nach, wie die Freien Theater das eigentlich mit so wenig Geld machen. Die Häuser müssen ja auch betrieben werden.

Das heißt, Potsdam gibt zu wenig Geld?

Potsdam gibt in kleinen Schritten auch mehr Geld. Mit der weiteren Privatisierung öffentlichen Raums in Potsdams Mitte und in der Innenstadt wird die Bedeutung und der Stellenwert der Schiffbauergasse steigen.

Aber die Schritte sind zu klein?

Natürlich sind die zu klein. Die Förderung steigt zu vorsichtig, fast ängstlich. Wenn man künstlerisch hochwertige Arbeiten will, dann braucht man mehr Geld. Da müssen noch Diskussionen geführt werden. Aber davor scheut sich jeder. Die Politik hat Angst vor unausweichlichen Konsequenzen und die Verwaltung verhält sich devot und opportunistisch, da sie keine klare Vorgaben hat. Das ist das Problem. Das Theaterschiff ist so ein Fall: Wenn man den künstlerischen Anspruch erfüllen will, muss die Stadt dem gerecht werden. Das Theaterschiff ist akut unterfinanziert, aber Potsdam reagiert nicht.

Welche Rolle spielen denn Freie Theater für eine Stadt wie Potsdam?

Wir hatten im vorigen Jahr im Land Brandenburg 1918 Vorstellungen und erreichten damit 166 000 Zuschauer. In der Stadt Potsdam hatten wir 68 901 Zuschauer in 738 Vorstellungen. Wir stellen in Potsdam die Hälfte des Theaterangebots.

Was macht die Freien so beliebt?

Wir bieten vielfältige Themen zur Auseinandersetzung, haben unterschiedliche Zielgruppen und finden spannende Formate. Wenn man erfolglos Theater macht, macht man das meist nicht lange. Man muss das Publikum abholen, einladen, begeistern und berühren. Da müssen sich persönliche und künstlerische Vorlieben mit denen des Publikums decken. Das muss man rauskriegen.

Zum Beispiel auf einer Langen Nacht der Freien Theater. Zehn verschiedene Gruppen werden aufspielen. Was bekommen die Zuschauer dort zu sehen?

Es werden Ausschnitte neuer oder noch in Produktion befindlicher Stücke gezeigt. Das Poetenpack spielt mit „Amphitryon“ eine Produktion aus dem Kleistjahr. Die Tänzer von Oxymoron zeigen „6 seconds“. Wir machen auch politisches Theater: Das Theaterschiff schildert das Schicksal eines jungen Berufssoldaten in Afghanistan. Die Idee der Nacht ist es, kurz vor Saisonbeginn Einblicke in das Jahresschaffen der Freien Theater zu geben. Es soll ein kurzweiliger, unterhaltsamer Abend sein, der Hunger macht. Im vorigen Jahr waren die Tickets schon eine Woche vor der Langen Nacht ausverkauft.

Für wen ist die Lange Nacht gedacht?

Für alle Leute, die gerne ins Theater gehen. Es werden dort verschiedenste Theaterformen präsentiert. Zwei kleine intime Personenstücke, Klassiker oder moderner Streetdance. Oxymoron ist da sehr beliebt und mitreißend. Es werden verschiedene Genre vorgestellt, das macht den Abend so interessant. Man kann sich auch nach zwei Programmpunkten ausklinken und später wieder reingehen.

Auf welche Vorstellungen sind Sie gespannt?

Die Potsdamer Produktionen kenne ich ja. Ich bin deshalb auf „flunker produktionen“ gespannt. Claudia Engel und Matthias Ludwig hatten sich im vorigen Jahr eine Auszeit genommen, weil sie ein Baby bekommen haben. Ich will sehen, wie sich das Künstlerduo aus Wahlsdorf weiterentwickelt hat. Auch alle Vorstellungen, die ein wenig später beginnen, sind interessant. Zum Beispiel das P.O.R.C.H.-Theater oder das Stück Friedrich Rex Superstar vom „event-theater“. Dort wird Friedrich mit Originalbriefen verrockt. Das ist verrückt, richtig verrückt.

Das Gespräch führte Tobias Reichelt

Die 8. Lange Nacht der Freien Theater am 12. Mai im T-Werk, Schiffbauergasse. Karten kosten 14, ermäßigt 8, für Schüler 6 Euro. Infos unter www.t-werk.de oder Telefon (0331) 719139

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