zum Hauptinhalt

Kultur: Die Welt erklärt nicht immer seinen Autor Die „Sehsüchte“ bekommen „Sehfrüchte“

Das Poetenpack nähert musikalisch-literarisch sich dem Dichter Edgar Allan Poe / Premiere in der Reithalle B Das 33. internationale Studentenfilmfestival schätzt das Alte und trumpft auch mit Neuem auf

Stand:

Das Poetenpack nähert musikalisch-literarisch sich dem Dichter Edgar Allan Poe / Premiere in der Reithalle B Das 33. internationale Studentenfilmfestival schätzt das Alte und trumpft auch mit Neuem auf Edgar Allan Poe zu fassen, das war und ist kein leichtes Unterfangen. Je mehr man sich ihm nähert, so paradox es auch klingen mag, umso rätselhafter wird er. Poe, Schöpfer der klassischen Kurz- und Detektivgeschichte, Autor meisterlicher Schauergeschichten, schuf in seinen Werken eine Welt zwischen Wirklichkeit und Fantasie, ein morbides Reich zwischen Leben und Tod. Keiner vor und nach ihm war so nah dran am Wahnsinn, am Abgründigen im Menschen. Und bei der Suche nach Erklärungen für das Warum, erwies sich Poes Leben immer wieder als dankbarer Acker. 1809 in Boston geboren, früh verwaist, wuchs Poe im Haus des wohlhabenden Kaufmanns John Allan auf. Doch während seines Studiums kam es zum Zerwürfnis mit seinem Vormund. Poes Leben war von nun an geprägt von innerer Zerrissenheit. Auf der einen Seite der anerkannte Kritiker, Autor und Herausgeber verschiedener Literaturzeitschriften. Auf der anderen Seite der Trinker, der sich immer wieder in Schwierigkeiten brachte und zu oft in finanzieller Not lebte. Der frühe Tod seiner jungen Frau Virginia, die gleichzeitig seine Cousine war, zerbrach ihn vollends. Zwei Jahre nach ihr, gerade einmal 40 Jahre alt, starb Edgar Allan Poe unter ungeklärten Umständen. Das Potsdamer Poetenpack wählte für ihr Stück „Poe", das am Freitagabend vor zur Hälfte gefüllten Saal im T-Werk Premiere feierte, den Weg, das Werk des Schriftstellers durch sein Leben und umgekehrt zu erklären. Ein literarisch-musikalischer Abend für einen Schauspieler, eine Sängerin und eine Pianistin. Die Bühne (Bettina Plesser) war schlicht gestaltet. Eine breite Stoffbahn, die von der Decke über den Boden floss. Darauf eine schwarze, ungemütliche Holzpritsche. Am rechten Rand das Klavier und ein Stuhl für die Sängerin. In dieser kargen Zelle gab Mirko Böttcher dann Edgar Allan Poe, wechselnd zwischen Gedichten, Briefen und Erzählungen des Meisters. Dieser Poe, das war schnell klar, setzte beim Zuschauer einiges an Wissen voraus. Denn was Andreas Lüder (Regie / Textfassung) hier bot, waren Splitter, Andeutungen, die Person und Werk in einem erklärbar machen sollten. Mit dem Gedicht „Träume", ein Grundmotiv in Poes Werk, wurde das gut 90minütige Programm eröffnet. Es folgte ein „Brief an den Vater", der hier schon zu Fehlinterpretationen führen konnte. Denn nicht jeder wird gewusst haben, dass dieser Brief, in dem Poe über zu wenig Geld für sein Studium klagte, an seinen Vormund John Allen gerichtet war, den er hier mit „Sir" anspricht, was damals die übliche Anrede für den Vater war. Es folgten unter anderem die Erzählung „Berenice", die als Andeutung auf den Tod seiner Frau Virginia verstanden werden konnte. „Verse über das Ale" und „Brief an Dr. Snodgrass", zeigten Poes Trunksucht auf. Nur mit der Erzählung „Das Fass Amontilado", tat man sich schwer. Aber wahrscheinlich sollte sie die Wut und Rachlust, die Poe manch Widersacher gegenüber empfand, zum Ausdruck bringen. Mirko Böttcher mühte sich redlich, ließ die Verzweiflung und Trauer im Gedicht „Annabel Lee" spüren, machten den Wahnsinn in „Berenice" fast körperlich fühlbar. Mit „Das Fass Amontilado" war der Punkt erreicht, wo das Programm dann doch spürbar an Atem verlor. Aufgebrochen wurden die Texte durch Lieder von Robert Schumann, Fanny Hensel-Mendelssohn und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Lieder, Poes Themen wie Tod und Liebe aufgreifend, die Heike Pichler, von Mechthild Winter am Klavier begleitet, eindrucksvoll interpretierte. Trotzdem war ab und an ein zu starker Bruch, vielleicht auch gewollt, zwischen Poes Texten und den Liedern zu merken. Zum Ende dann „Der Rabe", Poes bekanntestes Gedicht. Anfangs etwas gehetzt, dann aber den Rhythmus findend, wurde „Der Rabe" zum packendsten Vortrag. Denn hier blieb der Text nur Text, ließ Böttcher die Person Poe außen vor und die Verse einfach für sich sprechen. Und hier, wo die, an diesem Abend zu offensichtlich betonte Verbindung zwischen Werk und Leben des Autors, nicht bemüht wurde, war man Edgar Allan Poe noch am nächsten. Wer sich intensiv mit Edgar Allan Poes Leben und Werk auseinander gesetzt hat, wird an „Poe" vielleicht manch Interessantes entdecken. Obwohl das Offensichtliche das Stück zu sehr dominiert. Beim Rest bleibt ein gewisse Zwiespältigkeit. So auch am Premierenabend. Artiger, aber nicht lang anhaltender Applaus für diese Aufführung. Dirk Becker Am 27. April ist es wieder so weit. Für sechs Tage wird Potsdam zur Metropole für junge, ambitionierte Filmemacher. In die mittlerweile 33. Runde geht dann das Internationale Studentenfilmfestival „Sehsüchte“. Und die verantwortlichen Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) vertrauen zwar auch in diesem Jahr den gewohnten Abläufen. Doch auch mit zwei Neuerungen warten sie auf. So soll anlässlich des 50jährigen Jubiläums der HFF eine Retrospektive über die Arbeit an der Hochschule gezeigt werden. 30 Filme werden HHF-Geschichte erzählen. Sie sollen über die Arbeit in der DDR, über die dort versuchte filmische Rebellion und die Zeiten des Umbruchs während der Wende berichten. Außerdem, so erklärte Maren Gäbel von der HFF bei der gestrigen Pressevorführung, sei eine Diskussionsrunde mit ehemaligen Professoren und Studenten geplant. Die zweite Neuerung ist die hauseigene Zeitung „Sehfrüchte“, die täglich kostenlos erscheinen und neben Beiträgen und Interviews vor allem auch kritisch die Studentenfilmtage begleiten soll. Doch ansonsten bleibt vieles bei den „Sehsüchten“ so, wie der regelmäßige Besucher es schon kennt. In den Thalia Kinos in Babelsberg werden an vier Tagen die in den zurückliegenden Wochen ausgewählten Filme in den üblichen Blöcken zu sehen sein. Aus über 1000 Einsendungen wurden etwa 150 Beiträge ausgesucht. Über 50 Filme weniger in den unterschiedlichen Wettbewerbskategorien, doch durch die Filme über die HFF-Geschichte nicht unbedingt weniger im Gesamtprogramm. Am Sonntag, dem 2. Mai, werden dann die zehn begehrten Auszeichnungen mit Preisgeldern in einem Gesamtwert von 20 000 Euro vergeben. Wie schon im Vorjahr setzen sich viele der Filmemacher in ihren Beiträgen mit Krieg und sozialen Problemen in der Gesellschaft auseinander. So zeigt „Maree“ aus den USA mit schlichten aber umso schonungsloseren Bildern die Zerrissenheit von Menschen nach dem Krieg, die an den Frieden nicht mehr glauben wollen. Die Gemeinschaftsproduktion aus der Schweiz und Österreich „Artikel 29 - Aus den Augen, aus dem Sinn“ führt vor Augen, wie ein Gesetz zur Sicherheit der öffentlichen Ordnung schnell zur polizeilichen Willkür verkommen kann. Doch auch für die heiteren Momente wird in diesem Jahr gesorgt werden. Die hoch geschätzten Animationsfilme, unter anderem über einen verliebten Frosch sowie ein gewöhnungsbedürftiger Beitrag über die sexuellen Abgründe mancher Zeitgenossen zeigten, dass die Filmemacher trotz aller Probleme in der Welt ihren Humor nicht verloren haben. So wird neben Bekanntem wie den Podiumsdiskussionen, dem Cineastischen Quintett, den Werkstattgesprächen und der Drehbuchlounge, in der junge Autoren ihre Drehbuchentwürfe vorstellen, also auch einiges an Neuem auf den „Sehsüchten“ zu erleben sein. Das Beste wird sich aber auf den Leinwänden abspielen. Und da wird so manches zu entdecken sein. Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })