Kultur: Die Welt im Garten
300 Jahre preußische Gartengeschichte in einem opulenten Sammelband der Edition Leipzig
Stand:
Die europäische Gartengeschichte werde in Teilen neu geschrieben. Dazu habe die in Potsdam stattgefundene Tagung „Preußische Gärten in Europa“ wesentliche Anstöße gegeben, erklärte Prof. Luigi Zangheri, Präsident des ICOMOS-Komitees für Kulturlandschaften. Die neuen Forschungsanstöße, aber auch erste Ergebnisse, waren nicht nur Thema der von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten veranstalteten Tagung, sie spiegeln sich auch im veröffentlichten Buch zur 300-jährigen Gartengeschichte Preußens wider.
Der von Stiftungs-Gartendirektor Dr. Michael Rohde herausgegebene und vorgestellte Band vereint mehr als 70 Beiträge von Autoren aus 18 Ländern. Auffällig dabei, dass erstmals zahlreiche Autoren aus ost(mittel)europäischen Ländern kommen. So untersuchen Anna Olenska und Renata Stachanczyk das Erbe der preußischen Gartenkunst in den Grenzen Polens, Jan Hendrych deren Einfluss auf Böhmen, und der Ungar Kristof Fatsar führt die Leser in nach dem Vorbild von Sanssouci gestaltete Gärten in Bratislava und Iliasovce (heute Slowakei). Die Gartengeschichte all dieser Länder im europäischen Zusammenhang zu erforschen, ist erst seit dem Abbau des Eisernen Vorhangs unbehindert möglich und eröffnet ein weites Feld.
Neben diesem neuen Aspekt macht der Sammelband deutlich, dass auch auf anderen Gebieten erheblicher Forschungsbedarf besteht. Dazu zählt die Sinngebung der Gartenlandschaft, in die „die Herrscher ihr weltanschauliches, politisches und dynastisches Konzept“ einschrieben (Annette Dorgerloh/Michael Niedermeier). So sieht Simon von Butlar im Park Sanssouci ein freimaurerisches Programm mit einer „Staats- und Lebensachse“ von Ost nach West und einer „Erkenntnisachse“ von Süd nach Nord verwirklicht. Komplizierte Fragen also, die für viele Gartendenkmale bisher ungeklärt sind.
Erfreulich, wenn mit dem Bankdirektor Arno Brandt ein Autor die kulturtouristischen Potenziale von Sanssouci unter die Lupe nimmt, der bei verbessertem Marketing eine bedeutende Einnahmequelle für die Stiftung darstellen könnte. Seine Prophezeihung, dass „die notwendigen Schutzmaßnahmen auf ein in hohem Maße aufgeschlossenes Publikum treffen“, ist allerdings angesichts des gegenwärtigen Streits um die Parknutzung mit Vorsicht aufzunehmen.
Aus der Fülle der Themen sei schließlich erwähnt, dass der Sammelband erstmals den weltweiten Einfluss verdeutlichen, den die von Peter Joseph Lenné 1823 begründete „Gärtnerlehranstalt“ am Wildpark ausübte. Ihre Absolventen stiegen zu Gartendirektoren unter anderen in Rom, Athen, Wien, Riga und gar in Buenos Aires auf.
Aufschlussreich und oft vergnüglich kommen zeitgenössische Reiseberichte über die Preußischen Gärten daher. So stellt der belgische Rosenexperte Prince Wauthier de Linge den seines Vorfahren Charles-Joseph de Linge vor. Als österreichischer Feldmarschall zunächst Gegner, später Freund Friedrichs des Großen, bezeichnete er den König als „erbärmlichen Gärtner“ und mokierte sich über dessen „dürres Sanssouci“.
Das fast 400-seitige, in Deutsch und Englisch erschienene Werk stellt also keineswegs nur eine Lektüre für Gartenhistoriker dar. Er zeigt dem Leser nicht zuletzt an attraktiven Abbildungen, dass sich ihm in den Parks eine „Welt im Garten“ öffnet, mit Pflanzen von allen Kontinenten, englischen, französischen, italienischen Einflüssen, mit Schweizerhäusern, Chinesischem Haus in Sanssouci, verloren gegangenem Schwedenhaus in Uetz und auf der Pfaueninsel einem Blick in die Traumwelt der Südsee.
Michael Rohde (Herausgeber), Preußische Gärten in Europa - 300 Jahre Gartengeschichte, Edition Leipzig, Leipzig, 29,90 Euro
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: