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Kultur: Die Werte des Mannes mit dem akkuraten Einstecktuch

Autor, Historiker und Publizist Joachim Fest las im Literaturladen Wist

Autor, Historiker und Publizist Joachim Fest las im Literaturladen Wist Es sind die guten Seiten des Konservativismus, die Joachim Fest vorführt, als er im Literaturladen Wist auf Einladung des Brandenburgischen Literaturbüros aus seinem Buch „Begegnungen“ las. In Zeiten, in denen die Renaissance der politischen Konservative überall spürbar ist, ist an der Person von Joachim Fest und seinem Werk ablesbar, wie konservatives Auftreten und Denken funktioniert. Aufrecht, knorrig ein wenig, „alte Schule“ gar, ist zutreffend – sieht man den 1926 geborenen Fest mit seinem akkuraten Einstecktuch vor sich. Die Begegnungen mit „nahen und fernen Freunden“, die der langjährige FAZ-Herausgeber zu einem Buch zusammengefügt hat, darunter Sebastian Haffner, Golo Mann, Rudolf Augstein und Ulrike Meinhof, sind aber mehr als reine Erinnerungen. Fest versucht dichte Charakterstudien zu erstellen, literarische Nachrufe, in die er seine Lebensmaxime und Wertmaßstäbe einfließen lässt und das einbringt, was er bei vielen Historikern vermisst, die auf Werten fußende „interpretatorische Fantasie.“ Von Werten geht Fest aus, auf Werte laufen die vielen in den Text eingestreuten pointierten Resümees hinaus, aus denen Alter wie Klugheit sprechen. Diese Grundsätze, Unbeugsamkeit im Denken, Disziplin gegen sich selbst, Unbeirrbarkeit beim Fortschreiten sind das, was ihn mit den Porträtierten verbindet. So ist es das klassische Motiv der unbedingten, lebenslangen Liebe, das er im Kapitel über die jüdische Politologin Hannah Arendt entwickelt, aus dem er vortrug. „Das Mädchen aus der Fremde", wie Fest die angesehene Philosophin etwas großväterlich betitelt, war ihrem Universitätslehrer Martin Heidegger in heimlicher, leidenschaftlicher Liebe zugetan, von der sie ihr Leben lang nicht loslassen konnte. „Ihm verdanke ich alles“, heißt es da, und „er rief, ich kam.“ Wie lebte ein Mensch? Fest, in seiner angebotenen Interpretation nie wankelmütig, sagt über Arendt, ihr Leben wäre eine ziemliche Tragödie gewesen. Über Golo Mann, der zeitlebens gegen das übermächtige Bild des Vaters ankämpfte, sagt Fest: „Sein Leben lehrt, das Glück ohne Verdienst nicht zu erlangen ist.“ „Ich habe mir immer zugute gehalten, das Landläufige nicht zu sagen“, sagte Fest im anschließenden Gespräch über seine Schreibhaltung. Er erzählt darin auch, wie er seiner zehnjährigen Enkelin beibrachte, dass „Leistungsdruck“ von einem „Leistungsglück“ gefolgt sei, das entschädige und man auskosten lernen müsse. Das Kind hatte das „Gedicht“ „Verpiss dich“ von TicTacToe für den Großvater auswendig gelernt. Fest las ihr daraufhin Goethes „Erlkönig“ und Schillers „Bürgschaft“ vor, die Enkelin lernte nun die beiden Klassiker auswendig und trug sie in der Schule vor. „Du armes Kind“, der Kommentar der Lehrer, „was hast Du für verständnislose Großeltern.“ Im Publikum fand Fest Sympathien für diese Schilderung des Werteverfalls. Er mahnte, die Bundesrepublik wäre dabei, unter Realitätsblindheit zu leiden, der „deutschen Schwäche“. Wenn die junge Generation neue Ideen entwickelte, dann müssten Ideen immer mit der Wirklichkeit zusammen gebracht werden. Ohne den Bezug zur Realität wäre alles Nachdenken sinnlos. Joachim Fests Leben war von den, wie er sagte, zwei großen Themen seiner Generation geprägt: der Aufarbeitung Hitler-Deutschlands und dem Aufbau der Bundesrepublik. Hitler widmete er fünf Lebensjahre, um eine mächtige Biografie zu erstellen. Fest lieferte auch die populäre Vorlage zum Film „Der Untergang“. Den nachfolgenden Generationen würden diese großen Themen fehlen. Trotzdem sei er da aber nicht pessimistisch. Selten begegnet man Personen mit einer so festen, klaren und begründbaren Haltung wie Joachim Fest. „Unfug“ und „Unsinn“ ruft er aus, wenn er etwas zutiefst ablehnt. Dass er nicht starrköpfig ist, zeigt sich, und es klingt wieder wie eines dieser Bonmots, die in seinen Texten verstreut sind, als er abschließend resümiert: „Meinungsverschiedenheiten sind das Salz des Lebens, ohne das das Leben nicht lebenswert wäre.“ Matthias Hassenflug

Matthias Hassenflug

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