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Kultur: Die Woehl-Orgel: facettenreich und klangvoll Matthias Jacob gab am Sonntag Abend das

erste Konzert an neuer Orgel in der Friedenskirche

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erste Konzert an neuer Orgel in der Friedenskirche Ein Kind wahrlich königlichen Geblüts – kaum geboren und schon so kräftig und klangvoll bei Stimme! Viele eilen in die Friedenskirche, es zu besuchen und ihm zu huldigen. Sein lobenswerter Name: Woehl-Orgel (2004). An den Anblick, dass es durch die nun wieder freigelegte Fensterrosette gleichsam von Licht durchflutet wird, kann man sich schnell gewöhnen. An die Klänge auch. Das erste Konzert mit Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob, quasi dem Erziehungsberechtigten des Sprösslings aus der Marburger Orgelbauwerkstatt, stößt bei Kennern und Liebhabern auf reges Interesse. Zu welchen Komponisten und Stilepochen fühlt sich das Instrument hingezogen? In welchen Stimmungslagen klingt es besonders überzeugend? Wie klaglos und wohlerzogen folgt es väterlichen Forderungen nach klarer An- und Aussprache? Kaum sind die ersten Takte von Johann Sebastian Bachs dorischer Toccata und Fuge BWV 538 erklungen, gewinnt man den Eindruck, dass Barockes in seiner strengen Linienführung dem Instrument kein Hindernis darstellt. Wie man auf einem guten Steinway-Flügel nach wie vor Bach spielen kann, wenngleich nicht mit historisierendem Anspruch, erheben Instrument wie Organist keinerlei Anspruch auf den ultimativen Originalklang. Ihnen liegt daran, Bach für die heutige Zeit erlebbar zu machen. Gegenüber früher scheint die Schärfe der Prinzipalstimmen deutlich gemildert, was sich als weicherer Orgelsound offenbart. Der Moderne stehen dagegen keine Hürden entgegen. Zur Orgelweihe hat der Potsdamer Gisbert Näther (geb. 1948) ein verspieltes „Präludium festiva“ komponiert, das in Anwesenheit des Komponisten seine herzlich aufgenommene Uraufführung erlebt. Das Stück reizt die spieltechnischen und registratorischen Möglichkeiten des Woehl-Instruments weidlich aus. Intervallreich und dissonanzengeschwängert geht es zu, toccatisch vorantreibend auch. Trompetenstöße sind zu vernehmen, celestaartige Register gezogen. Das Schwellwerk bekommt reichlich zu tun – es ist für ätherische Höhenausflüge zuständig. Viele Tongestalten erscheinen dabei wie in ein Messiaensches Klanggewand gehüllt. Ganz von seiner melancholischen Seite zeigt sich der Königinnennachwuchs in der Passacaille (1944) von Frank Martin (1890-1974). Im Pianissimo, getragen, ostinat und langsam anschwellend, dazu klar und prägnant intonierend, breitet sich eine (ver)zweifelnde Grundstimmung aus. Was sich zu pathetischer Größe entwickelt, verklingt erneut im Leisen. Jacob gestaltet dieses Stück sehr intensiv. Die Disposition mit ihrer Synthese aus alten und neuen Pfeifen scheint gelungen wie das c-Moll-Scherzo aus der 5. Orgelsymphonie op.80 von Alexandre Guilmant (1837-1911) eindrucksvoll beweist. Die klangliche Realisierung erweist sich als Hommage an die Möglichkeiten von Zungenstimmen im Schwellwerk (3. Manual) ganz nach französischer Bauart. Scharf attackierend, dann wieder lieblich tönend wie hinter einem Schleiervorhang, oftmals aus Dunklem ins Helle steigend, breiten sich Klänge aus, die an ein farbig instrumentiertes Orchester denken lassen. Seine wahre Pracht und Herrlichkeit offenbart das Instrument jedoch in der Sonate c-Moll von Hochromantiker Julius Reubke (1834-1858), einer textnahen Vertonung des 94. Psalms. Das einsätzige, deutlich gegliederte Stück hebt – gleichsam in Fausts düsteres Studierstübchen entführend – geheimnisvoll beschwörend an, ehe sich des Pudels Kern offenbart. Kämpferischer Unduldsamkeit mit Feuer und Toccata-Schwert („Herr, wie lange sollen die Gottlosen prahlen?“) folgen lieblichere und trostreichere Betrachtungen („Ich hatte viel Bekümmernis“). Hoffnungsfroh eilt die Sonate ihrem bekenntnishaften Finale („Aber der Herr ist mein Hort und meine Zuversicht“) entgegen. Dem Erzeuger, Erzieher und tonsetzenden Lobpreiser des prächtigen Orgelbabys fallen Blumen und anhaltender Beifall zu.Peter Buske

Peter Buske

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