
© Julius Frick
Kultur: Die Zeit hinterlässt schon Spuren
Im Potsdam Museum werden Bilder für die Ausstellung „Stadt-Bild / Kunst-Raum“ restauriert
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So richtig fröhlich geht es beim „Kinderfasching im Neubauviertel“ nicht zu. Ein kleiner Harlekin steht im Zentrum des Bildes von Uwe Pfeifer. Luftballons flattern an einem Fenster vorbei, auf der Rückbank eines Wartburg lümmelt ein Plüschtiger. Im Hintergrund die rechtwinklige Fassade einer Plattenbausiedlung. Alle Heiterkeit ist gleich im Keim erstickt. Das Bild ist Teil der Ausstellung „Stadt-Bild / Kunst-Raum“ des Potsdam Museums, die am kommenden Wochenende eröffnet wird. Die Bilder sollen einen Eindruck davon vermitteln, wie sich Stimmung und Leben im sozialistischen „Arbeiter- und Bauernparadies“ angefühlt haben.
Das Potsdam Museum verfügt über einen soliden Stock von rund 5000 Bildern, die es von Künstlern des untergegangenen sozialistischen Staates erworben hat. „Aber natürlich waren wir aufgrund der letztlich doch beschränkten Mittel nicht in der Lage, alle wichtigen Werke, die uns interessiert hätten, zu erwerben“, sagt Museumsdirektorin Jutta Götzmann. Also finden sich auch 67 Bilder von Leihgebern in der Ausstellung. 125 Werke werden zu sehen sein. Aus dem eigenen Bestand stammen 58 davon. 35 Bilder hat das Museum für die Ausstellung restauriert. „Es war eine recht schwierige Aufgabe, die sich grundsätzlich von der Restaurierung anderer Bilder, beispielsweise von solchen aus der Barockzeit, unterschieden hat“, so Museumskonservator Oliver Max Wenske. Mit einem Team von sechs Leuten hat er sich der schwierigen Aufgabe angenommen, die Zeitzeugnisse der verblassenden historischen Epoche ins Potsdamer Kulturerbe hinüberzuretten. Und es sind bemerkenswerte Bilder, die sich schon auf den ersten Blick von denen der Westkollegen unterscheiden.
Es war zu erwarten, dass die DDR-Kunst mehr zu bieten hatte als die obligatorischen Großmaler Sitte, Womacka und Tübke. Aber es erstaunt dann doch, wie differenziert die Facetten sind, die sich bei der Betrachtung der einzelnen, von der Kunstgeschichte noch nicht eingehend gewürdigten Werke aufblättern. Während im Westen großspurig Farbe mit Bürsten und Eimern auf überdimensionierten Leinwänden verteilt wurde, sich der Tachismus Bahn brach, besannen sich im östlichen Teil Deutschlands viele Künstler des Glücks im stillen Winkel und malten Kammerszenen oder schöne Stadtpanoramen. Es war wohl auch eine innere Immigration. Eine Wohnzimmerszene zeigt das Bild „Sonate“ von Heinz Böhm aus dem Jahre 1957: ein gemusterter Teppich, ein Klavier, zwei Kinder im Wohnzimmer. An sich ein heimeliges Ensemble. Aber es ist mit harten, schwarzen Umrissen gemalt, die zentrale Aufsicht auf die Figuren wirkt ein wenig wie eine Beobachtungsposition. Die Perspektive scheint zu kippen.
„Parallelwelten“ finden sich auf einer Wand der Ausstellung, sagt Götzmann. Erst langsam würden die Bilder aus der ehemaligen Sowjetzone als Kunstwerke und historische Dokumente wahrgenommen. Dementsprechend seien jetzt immer mehr Renovierungen notwendig, wenn die einzelnen Werke ausgestellt würden, ergänzt Oliver Wenske. Die insgesamt 15 000 Euro Restaurierungskosten kamen mit der Hilfe von privaten Spendern zusammen. Eine Bank förderte beispielsweise die Restaurierung der „Sonate“ mit 1800 Euro. Für Wenske ergaben sich neue Herausforderungen, mit denen er bisher noch nicht konfrontiert war. Während sich bei Barock und Rokoko die Patina vergangener Jahrhunderte in den Werken ablagert, sind die Bilder von Böhm und Pfeifer erst wenige Jahrzehnt alt. Dennoch müssen sie bereits aufwendig für die Nachwelt gesichert werden. Denn einerseits griffen die Künstler oft auf eher billige Malmaterialien zurück, andererseits zeigen auch die Rahmen Blessuren.
„Wir wollten die Rahmen aber so erhalten, wie sie sind, denn sie sind ein Teil der Geschichte der Bilder, so Wenske. Gelegentlich bestünden die Rahmen lediglich aus einfachen Leisten, die auf die Bilder genagelt seien. Die Nägel seien mittlerweile rostig, die Farbe blättere ab oder verwelke. „Die Bilder präsentieren sich sehr bescheiden. Die Rahmen wollen nicht schmücken, sondern nur einen Abstand zwischen dem Betrachter und dem Bild schaffen“, sagt Wensek. Daher sei er bestrebt, den Zustand zu konservieren, den die Rahmen aufgewiesen haben, als das Museum sie erworben hat. „Denn auch das ist ein Teil der Geschichte der Bilder.“
Das Bildnis der Bronja Schmidt von Curt Querner fasst ein alter Türrahmen ein. Das eindrucksvolle Porträt sei von einer dunklen Staubschicht überzogen gewesen, erklärt Wenske. „Das Kleid war schwarz, die differenzierten Blautöne hat man gar nicht mehr gesehen“. Die Renovierung eines Bildes von Joachim Böttcher war schwierig, denn der experimentierfreudige Künstler hat Seidenpapier und allerlei andere Materialien in das Bild hineingearbeitet. Die zerbröseln nun. Für den Restaurator galt es zu entscheiden, welchen Zustand er fixieren möchte. Bei dem Bild „Über der Stadt“ von Frank Gottsmann aus dem Jahr 1988/1989 waren nur kleine Nachbesserungen notwendig. Mit großem Schritt überquert die nackte Figur Häuserdächer. Die bunte Stadt entfaltet sich vor dem Voranschreitenden. Er scheint keine Grenzen zu kennen und den Raum, der vor ihm liegt, auszumessen. Kurze Zeit nach der Entstehung des Bildes fiel die Mauer. Die Allegorie ist offensichtlich, der pastose Malstil und die große Geste des Bildes zeitlos aktuell.
„Stadt-Bild / Kunst-Raum“ ist ab Sonntag, dem 7. September, im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, zu sehen.
Richard Rabensaat
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