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Kultur: „Diese Oper ist ein Witz“

Vor der Premiere von Rossinis „Le Cenerentola“ bei der Potsdamer Winteroper:  Ein Gespräch mit der Sängerin Evmorfia Metaxaki und dem Regisseur Nico Rabenald

Stand:

Frau Metaxaki, Sie singen morgen die Clorinda in „Le Cenerentola“ im Schlosstheater. Ihr erster Rossini?

Evmorfia Metaxaki: Ja, am Anfang war ich wirklich überfordert, weil bei Rossini so viel zusammenkommt, da so vieles ist, das ich vorher nicht kannte. Ich arbeite immer noch daran.

Dabei wird hier doch auch nur die so oft schon gehörte Geschichte vom Aschenputtel erzählt?

Nico Rabenald: Aber wie! Das Faszinierende an „Le Cenerentola“ ist natürlich die Musik, das ist ganz klar. Und dieser Rossinische Wahnsinn, der da drin steckt. Diese Crescendi, dieses sich immer mehr steigern, die Leute, die alle durchdrehen. Das ist so typisch Rossini, das findet sich in jeder seiner Oper.

Metaxaki: Bei Rossini steht an erster Stelle immer der Witz. Die ganze Oper ist so witzig komponiert und da natürlich vor allem die Musik. Diese Koloraturen, die Parlando-Stellen und die extremen rhythmischen Affekte, da reicht es schon, nur die Musik zu hören und man weiß, Rossinis „Le Cenerentola“ ist ein Witz. Und diese Musik ist sehr temperamentvoll. Da ist einfach alles drin.

Rabenald: Rossini behandelt die Sänger an manchen Stellen fast wie Instrumente. Sei es mit der Sprache, wo die Konsonanten richtig knallen, ja rollen.

Metaxaki: Ja, alle Effekte, die mit der Stimme möglich sind, finden sich in „Le Cenerentola“. Dazu die schauspielerischen Herausforderungen.

Bei allem Respekt für diese Begeisterung, bleibt, ketzerisch gefragt, bei diesem Witz und der temperamentvollen Musik nicht das Tiefgründige auf der Strecke, nur schöner Schein, der an der Oberfläche glänzt?

Rabenald: Nein, im Gegenteil. Mit „La Cenerentola ossia La bontà in trionfo“ ist die Oper überschrieben, „Aschenputtel oder Der Triumph der Güte“. Und allein dieser Titel hat mich wirklich lange beschäftigt. Denn was wird aus Güte, wenn sie triumphiert? Das ist doch wirklich mal eine Frage. Da gibt es eine große Entwicklung für die Cenerentola. Was für ein Ziel verfolgt sie? Denn mit Sicherheit ist sie nicht nur das kleine Mäuschen, das hinterm Herd hockt. Das ganz bestimmt nicht, denn sonst hätte sie mit ihren beiden Schwestern nicht überlebt. Natürlich hat diese Oper vor allem Tempo und gerade in den Rezitativen ist da richtig was los. Aber ich glaube schon, dass man trotzdem sehr deutlich die sozialen Konstellationen sieht.

Sie meinen das Spiel mit dem Rollentausch?

Rabenald: Ja, der Diener verkleidet sich als Prinz, der Prinz als Diener. Und was passiert mit jemanden der die Chance hat, einmal König zu sein? Das alles macht ja was mit den Menschen, beeinflusst sie. In Rossinis „Le Cenerentola“ spielt eigentlich jeder etwas, das er nicht ist. Cenerentola verkleidet sich als Prinzessin, kommt zum Ball und spielt die große Dame, obwohl sie das gar nicht gewohnt ist.

Metaxaki: Ihre Schwestern genauso.

Rabenald: Ja, die leben in einem runtergekommenen Schloss und versuchen sich ganz vornehm und reich zu geben, was natürlich alles nach hinten losgeht. Alidoro ist bei uns ein Regisseur, der hitchcockmäßig in seinem Film selbst mitspielt, in der Rolle eines Bettlers.

Der Rossinische Wahnsinn, von dem schon die Rede war.

Rabenald: Wobei ich hier besonders spannend finde, wie er dieses Märchen vom Aschenputtel eigentlich versucht, realistisch zu gestalten. Es gibt da keinen großartigen Zauberer, es gibt keine gläsernen Pantoffel oder Kürbisse, die sich in Kutschen verwandeln. Das Ganze wird von Rossini auf ein andere Art und Weise erzählt. Wobei das nicht weniger märchenhaft ist.

Und wie erzählen Sie diese Geschichte?

Rabenald: Wir haben das Thema Potsdam als Filmstadt in unserer Inszenierung aufgenommen. Die große Filmzeit Anfang des 20. Jahrhunderts in Babelsberg, wo es natürlich diesen Traum von der kleinen Statistin gab, die ein großer Filmstar werden will. Diese Richtung wollen wir hier darstellen, so dass wir auf der einen Seite davon erzählen, wie „Aschenputtel“ als Film gedreht wird, auf der anderen Seite die gleiche Geschichte noch einmal hinter der Bühne erleben, von der gemobbten Jungdarstellerin, die zum Schluss dann doch noch zum Star avanciert.

Ein Bezug, der sich ja fast schon zwingend anbietet.

Rabenald: Aber es hat gedauert, bis wir an diesem Punkt waren. Denn wir haben wirklich erst einmal in Ruhe geschaut, wie man sich diesem Stoff annähern kann. Dabei haben wir festgestellt, dass man von bestimmten Musikstücken wie einige Arien von Don Magnifico sagen kann, dass die handlungsmäßig weggelassen werden könnten. Das sind Kabinettstücke und er ist der Komiker in „Le Cenerentola“. Dann haben wir aber eine Revueparallele dabei entdeckt. Und nun gibt es in unserer Inszenierung auch sehr viele Zitate aus Filmrevuen der 30-er Jahre.

Die Anspielung auf die Traumfabrik Film findet sich auch im Bühnenbild wider. Die Zuschauer blicken auf die Bühne sozusagen hinter die Bühne.

Rabenald: Sowohl als auch. In der Ouvertüre wird das Filmset aufgebaut, dann sehen wir Details aus den Szenen, die wir spielen und die sich ständig ändern. Wir sehen immer mal wieder zwischendurch eine Backstage-Situation, dann aber auch wieder die großen Auftritte. Da müssen wir natürlich immer wieder probieren, wie das hier in dem relativ beengten Raum überhaupt möglich ist.

Also hatten Sie Ihre Probleme, in diesem kleinen Schlosstheater zu inszenieren?

Rabenald: Nein, es ist eine Herausforderung. Und ich finde es wunderbar. Ich glaube, wir alle genießen es, in einem Schloss Theater machen zu können. Das ist der Reiz des Einmaligen, an einem solchen historischen Ort eine Oper machen zu können. Das ist einfach fantastisch.

Metaxaki: Jeder Raum hat seine Schwierigkeiten, aber wenn ich da vorne stehe, ist das einfach nur noch die Bühne. Dann geht es immer um die Balance, die wir, die Sänger und das Orchester, finden müssen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„La Cenerentola ossia La bontà in trionfo“ mit der Kammerakademie Potsdam hat im Rahmen der Potsdamer Winteroper am morgigen Freitag, 19.30 Uhr, Premiere im Schlosstheater im Neuen Palais. Weitere Vorstellungen am 6., 13. und 27. November, jeweils 18 Uhr. Alle Veranstaltungen sind schon ausverkauft

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