Kultur: Direkter Draht zum König
55. Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte erschienen / Texte über Bornstedt
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55. Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte erschienen / Texte über Bornstedt Über eine Bittschrift (Supplik) brachte der Müller Arnold aus der Neumark König Friedrich II. dazu, gröblichst in einen Gerichtsprozess einzugreifen und ihm zu seinem angeblichen Recht zu verhelfen. Dieser Fall, eine Quelle für die Legende vom „Müller von Sanssouci“, ist ein eindrucksvolles Beispiel für den Erfolg, den solche Bittschriften bewirken konnten, die direkt an den Herrscher geschickt oder an der Potsdamer Bittschriftenlinde übergeben wurden. Die preußischen Könige ließen sich trotz des Einspruchs der Juristen diese unmittelbare Verbindung zu ihren Untertanen nicht nehmen. Dem wenig erforschten „Supplikantenwesen“ geht die Potsdamer Historikerin Dr. Hannelore Lehmann im unlängst erschienenen Jahrbuch (2004) für Brandenburgische Landesgeschichte nach. Es ist bereits das 55. Jahresheft, das die 1884 gegründete Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg herausgibt. Sie widmet es ihrem früheren Vorsitzenden Eckart Henning zum 65. Geburtstag. Der Potsdamer findet u.a. einen Beitrag von Prof. Dr. Friedrich Beck zur ins Wasser gefallenen 700-Jahr-Feier des Ortsteils Bornstedt. Der Archivar weist nach, dass die Urkunde von 1304 mit der Ersterwähnung des Dorfes falsch datiert ist und ins 15. Jahrhundert gehört. 100 Jahre müssen die Bornstedter aber nicht mit der Jubiläumsfeier warten. Zwar nur abschriftlich existiert eine Urkunde aus dem Jahr 1323, an deren Echtheit es laut Beck jedoch keinen Zweifel gibt. Bornstedt ist auch das Thema eines Artikels von Werner Heegewaldt. Er identifiziert einen auf der Hofseite des Krongutes angebrachten rätselhaften Schlussstein als Wappen der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach bzw. -Bayreuth. Wahrscheinlich ist der Stein, der leider bei der Restaurierung farblich falsch gefasst wurde, als Spolie eines anderen Baus dort zur Zierde eingefügt worden. Weitere Beiträge des Heftes befassen sich u.a.mit mittelalterlichen Städtesiegeln, Wappen, Chronogrammen, dem Leibgedinge zur Versorgung von Adelswitwen, Fontanemedaillen, den Berliner Arbeiter- und Soldatenräten in der Novemberrevolution 1918/19 sowie dem Nationalpreis der DDR. Dr. Klaus Neitmann, Direktor des Landeshauptarchivs in Potsdam, beklagt in enem Rückblick auf die Tätigkeit der 1996 wiederbegründeten Brandenburgischen Historischen Kommission die an den Universitäten immer schmaler werdenden finanzielllen und personellen Möglichkeiten für dieses Forschungsgebiet und weist auf die dadurch wachsende Bedeutung der ehremamtlichen Geschichtsvereine hin. Beiträge über den 60. Jahrestag des Kriegsendes sucht der Leser vergebens. Sie bleiben wohl dem Jahrbuch für 2005 vorbehalten. Nur Dr. Günter Nagel führt in seinem Artikel über die Friedensstadt Glau bei Trebbin auch in diese Zeit. Das Zentrum der von Joseph Weißenberg begründeten Johannischen Kirche war durch die Nationalsozialisten und dann durch die russsischen Besatzer militärisch genutzt worden und entsteht jetzt neu. Erhart Hohenstein Felix Escher (Hrsg.), Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte, 55. Band, Berlin 2004, 304 S., 72 Abb., 19,50 Euro, in Potsdam erhältlich im „Internationalen Buch“, Ecke Brandenburger und Friedrich-Ebert-Straße
Erhart Hohenstein
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