Kultur: Distinguiert
„Romantische Streicher“-Musik mit dem Neuen Kammerorchester Potsdam
Stand:
„Romantische Streicher“-Musik mit dem Neuen Kammerorchester Potsdam Als Totenblumen waren sie einst sehr beliebt, die weißen Chrysanthemen. Mit einem solchen letzten, quasi musikalischen Blumengruß von „Crisantemi“ gedachte Giacomo Puccini dem Anfang 1890 verstorbenen Amedeo von Savoyen. Ein trauriger Anlass. Entsprechend schmerzlich und gefühlstief breitet sich elegisches Erinnern an den italo-spanischen Monarchen aus. Ein klingendes Epitaph, der das 3. Sinfoniekonzert des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter der Leitung von Ud Joffe in der Friedenskirche eröffnet. Es steht unter dem Motto „Romantische Streicher“, und als solche erweisen sie sich auch. Schwelgendes Melos breitet sich überaus klangsatt aus, dringt in empfängliche Seelen ein. Dennoch wird, fern möglichen Gefühlskitsches, klar in der Diktion und mit einer gewissen Leichtigkeit musiziert. Das farbig kolorierte Stück setzt dem Abend ein erstes Achtungszeichen. Kein Misston trübt die Stimmungen. Auch nicht im Klarinettenkonzert op. 31 des englischen Komponisten Gerald Finzi (1901-1956). Gleich einem blasierten Dandy bewegt es sich sehr distinguiert in seinen drei Sätzen. Auch scheint es, als sei man von Anfang an zu einem (Klang-)Derby nach Ascot gebeten. Die Gespräche werden vorzugsweise wie hinter vorgehaltener Hand in liebenswürdiger Rhetorik geführt. Einige erregende, leidenschaftsbewegte Passagen gleichem dem pikierten Hochziehen einer Augenbraue. Konflikthaftes wohnt dem Konzert nicht inne. Ganz gentlemanlike parliert die Klarinette (Dimitri Ashkenazy) in melodischem Tonfall über Gott und die Welt. Gelegentlich verplaudert sie sich gar, wenn sie weite, gleichsam viktorianisch drapierte (Klang-)Bögen spannt. Contenance herrscht genauso vor wie britisches Understatement. Nein, es ist kein Druckfehler (und sollte eigentlich „rigoroso“ heißen): es gibt tatsächlich ein „vigoroso“ mit dem sich das Allegro des ersten Satzes schmückt, was bedeutet, es möge „nachdrücklich, mit Kraft und Energie“ musiziert werden. Wohl auch deshalb, um gepflegte Langeweile nicht aufkommen zu lassen, was es aber doch tut und wovon die Satzfolge leider nicht ganz frei ist. Dimitri Ashkenazy, jüngster Spross der berühmten Dirigentenfamilie, setzt ganz auf eine einschmeichelnde Gesangslinie. Seinen geschmeidigen und weichen Ansatz könnten Gourmets gar mit der Doppelrahmstufe eines Edelkäses vergleichen. Verschwenderisch bläst er die schönsten Legatolinien, verbreitet Schmelz und Glanz. Seine Stärke ist ein flaumiges, zart getöntes Pianissimo. Klanggepflegt und breit fließt der Melodienstrom im Adagio ma senza rigore dahin. Gelegentlich schwillt er etwas an oder eilt keck über einige Stromschnellen hinweg. Die Wiedergabe des Allegro giocoso, einem graziösen bis beschwingten Rondo, macht der Vortragsbezeichnung „heiter, spaßhaft, scherzhaft“ alle Ehre. Einem Antidepressivum für die Seele gleicht gleichfalls die sehr gepflegte Aufführung der Streicherserenade C-Dur op. 48 von Peter Tschaikowski. Voluminös schwelgt es in gedeckten Klangfarben durch den Kirchenraum. Was im ersten Satz wie hingetupft wirken sollte, hätte durchaus noch pointierter und spritziger erklingen können. Edel und elegant bewegt man sich im Dreivierteltakt des „Walzer“-Satzes. Doch wo bleibt der hinschmelzende Charme? Solide, ohne zündenden Interpretationsfunken klingen die „Elegie“ und das Finale auf und vorüber. In letzterem bleibt die Wildheit des russischen Themas weitgehend ausgeblendet. Die romantische Kantilene beherrscht den herzlich applaudierten Abend, dem man ein wenig mehr Abwechslung gewünscht hätte. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: