Kultur: Doktor Potsdamstein
Potsdam-Komödie zur heutigen Eröffnung vom „Treffpunkt Freizeit“
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Wir lachen entschieden zu wenig. Das sagt der Schriftsteller Ronald Granz und empfiehlt den Besuch der Uraufführung des ersten Teils seiner Potsdam-Komödie zur heutigen Eröffnung vom Treffpunkt Freizeit am Heiligen See. Sein Stück „Oh, Friedrich! Oh, Friedrich! oder Meine Gruft gehört mir!“ ist offenbar eine groß angelegte Persiflage. Ihr Humor soll Preußen und seine Traditionen, und zugleich auch die Stadt prägende historische Persönlichkeiten treffen, und ganz nebenbei auch die lokale Politik auf“s Korn nehmen.
Die wechselvolle Geschichte des Treffpunkts Freizeit, in dessen Vorstand Autor Granz aktiv ist, bleibe auch nicht unkommentiert. Lokalpolitiker seien deswegen im Vorfeld der Aufführung schon nervös geworden, ob sie denn im Stück zu erkennen wären, weiß Granz zu berichten. Er freut sich schon auf die Honoratioren, die zum Festakt zu erwarten sind.
Ronald Granz, ein Neu-Potsdamer, hat den beschwerlichen Weg bis zur Fertigstellung des Jugendkulturhauses begleitet. Wie einst die Schließung drohte und durch eine Unterschriftenaktion mit überwältigender Teilnahme von 22 000 Potsdamern im letzten Moment abgewendet werden konnte. Der Treffpunkt sei, so Granz, eine „wichtige Insel des Kulturschaffens“, sein Stück streife deshalb die Frage, welche der Politiker besonders zu seinem Überleben beigetragen habe. Und welcher nicht.
Von der Handlung wollen der Autor und sein Regisseur, Martin Debus, noch nicht allzu viel verraten. Der Held Neffe Hardy ist eine Art Potsdamer Frankenstein, der im Kellerlabor aus dem Erbmaterial lokaler Politikgrößen Figuren wie Friedrich den Großen und Josef Stalin zum Leben erweckt. Diese treten in komödiantischen Wettbewerb. Anscheinend wird auch gestorben. Das „Hinüberbringen“ erfolge in Anlehnung an den für seine Bösartigkeit berühmten Filmklassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“.
Die Schauspielprofis des Lenné-Theaters, vier Herren und zwei Damen, hatten schon bei den Proben viel zu lachen. „Erst hielt ich das Stück für eher skurril“, so eine Aktrice, „Jetzt kenne ich den ganzen Text – wirklich witzig!“
Ganz ernst wird Autor Granz, wenn er über Preußens plötzliches Verschwinden aus Europa berichtet und einen Bogen schlägt zu den heutigen Verhältnissen. Es herrsche „laissez-faire“, Tugenden wie Toleranz, Loyalität, Individualität und Zugehörigkeitsgefühl würden in unserer Zeit der „liberalistischen Auflösung“ vermisst werden. Seine Komödie möchte auf lustige Weise „Spiegelbild“ dieser Gegenwart sein, Motto: „Wir lachen und machen weiter.“ Ronald Granz wirkt nachdenklich, wenn er zur Untermauerung seines Stücks den französischen Soziologen Jean Baudrillard zitiert oder darüber räsoniert, dass weder Churchill noch Stalin auf Fotos von der Potsdamer Konferenz lachend zu sehen wären. Dann wird der Schriftsteller während des Pressetreffens ganz plötzlich zum Schalk. Ob der Oberbürgermeister auch zur Uraufführung komme? Granz holt sofort ein Brikett großes Multimedia-Profi-Funktelefon heraus, wählt und sagt: „Den rufe ich jetzt sofort an – ich hab ja seine Handynummer.“
Matthias Hassenpflug
„Oh, Friedrich! Oh, Friedrich! oder Meine Gruft gehört mir!“, Heute, 2. September, Malteser Treffpunkt Freizeit, 18 Uhr,
Ab 14 Uhr gibt es bereits ein Familienfest.
Matthias Hassenpflug
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