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Kultur: Doppelt begabt Matinée im Filmmuseum

zu Ehren von Peter Weiss

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„Ich gehöre nicht zu den Autoren, die ihre Kunst von ihrem gesellschaftlichen Leben trennen, und die der Kunst eine autonome Existenz zusprechen“, schreibt Peter Weiss 1965 in einem offenen Brief, und es scheint, als würde gerade jetzt wieder die Frage nach dem Engagement von Literatur und Kunst gestellt. Wenn schon nicht von den Literaten selbst, dann doch in einer solchen Retrospektive, wie sie im Filmmuseum mit dem Porträt von Ullrich Kasten „Der Unzugehörige: Peter Weiss“ zu Ehren des 1916 in Babelsberg geborenen Schriftstellers und Malers zu Ende ging.

Deutlich wurde der Zusammenhang zwischen Werk und gesellschaftlicher Entwicklung im Film auch in der unbekannteren Malerei des Doppelbegabten, der auf Anraten von Hermann Hesse in Prag an der Akademie studierte, bevor er ins schwedische Exil gehen musste. Bei Peter Weiss passen auf schicksalhafte Weise das gesellschaftliche und familiäre Verhalten zueinander: Erlebt er als Kleinkind eine gefühlskalte Mutter, die, als ehemalige Max-Reinhardt-Schauspielerin ihre Mutterrolle nur spielt, muss er sich als Jugendlicher und junger Erwachsener vehement gegen den Willen seines Vaters, „etwas Anständiges“ zu lernen, wehren. Seine Schwester stirbt mit zwölf Jahren an den Folgen eines Verkehrsunfalls, ein Erlebnis, das ihn stark prägt. Dann widerfahrt ihm als Jude die bittere gesellschaftliche Zurückweisung, die er im böhmischen Exil als totale Vereinsamung erfährt. Seine Bilder zeigen im Boschschen Stil oder bei den Collagen an Max Ernst erinnernd, die Isolation des Einzelnen in der Gemeinschaft. Verzweiflung, Angst und Sehnsucht drücken die Malereien aus, die seine schwedische Witwe aus den Kisten holt und dem Filmteam zeigt; Blicke über den Arbeitstisch und in die Stationen von Peter Weiss’ Leben lassen die Erfahrungen des produktiven Autors verständlicher erscheinen, auch aus einer heutigen Perspektive.

Der eindringliche Film zeigt die Spuren der Kämpfe um Anerkennung in Peter Weiss’ Gesicht, ein Antlitz, in dem sich Zurückhaltung, Sorge und Enttäuschung spiegeln. Mit „Hölderlin“ versucht er, diese Isolation des sich einmischen Wollenden noch einmal ästhetisch zu überhöhen. Dass er, der Persona non grata in der DDR wurde, dennoch am Sozialismus festhielt und nur verhalten die Frage stellte, warum so wenig Souveränität bei den Verantwortlichen zu finden sei, ist mit einer großen Sehnsucht auch nach politischer Zugehörigkeit zu erklären. Von Schweden aus versuchte Weiss, in beiden deutschen Staaten Anerkennung zu finden. Aber erst sein Hauptwerk „Ästhetik des Widerstandes“ vermochte es, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu erringen. Dennoch sagt Tochter Nadja: Alles, was Papa gemacht hat, ist Hoffnung. Für Jens-Fietje Dwars, der am Drehbuch mitarbeitete, steht ebenfalls die Hoffnung am Ende des Films, die Hoffnung, dass der RBB ihn noch einmal senden möge. Lore Bardens

Lore Bardens

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